Private Investoren dürfen ab dem 1. November gemeinsam gegen Anlagebetrüger klagen
von Christine Hunger
Die Fonds heißen Falk, IBV Deutschland oder Phoenix - und eigentlich sollten sie den Anlegern als Grundlage für die Altersvorsorge dienen. Doch statt dessen brachten sie das finanzielle Fiasko. Viele Investoren stehen jetzt vor einem Scherbenhaufen und wissen nicht, wie und ob sie jemals wieder an ihr Geld kommen.
Doch es gibt wieder Hoffnung: Geprellten Anlegern kommt ein neues Gesetz zugute. Am 1. November tritt das Gesetz über das Kapitalanleger-Musterverfahren (KapMuG) in Kraft. Danach können sich Anleger zusammentun und gemeinsam klagen. Der Vorteil: Dieses Vorgehen spart Mühe und vor allem viel Geld. Ein solches Musterverfahren kann von jedem Kläger beantragt werden, der Schadenersatz wegen falscher Kapitalmarkt-Informationen beansprucht. Sein Antrag wird im Klageregister des elektronischen Bundesanzeigers veröffentlicht. Innerhalb von vier Monaten müssen dann neun weitere Anträge mit gleicher Zielsetzung eingehen, um das Verfahren auszulösen. Das Gericht bestimmt dann einen Musterkläger. Die anderen Anleger wirken als Beigeladene mit, sofern sie es wollen. Das Urteil bindet schließlich alle. Geht der Prozeß verloren, werden die Kosten anteilsmäßig auf alle Schultern verteilt.
Aktuell gibt es noch keine laufenden Musterprozesse. Doch bei vielen Verfahren wird die Anwendung des KapMuG diskutiert. So auch im Frankfurter Prozeß um die Millionenklagen enttäuschter Kleinanleger gegen die Deutsche Telekom. Die Kläger verlangen Geld von dem Ex-Monopolisten für erlittene Kursverluste, weil sie sich von dem Börsenprospekt getäuscht fühlen. Wichtigster Angriffspunkt ist dabei die zu positive Bewertung der Immobilien. "Aber auch in Sachen IBV-Deutschland-Fonds kann eine Musterklage relevant werden", sagt Anlegeranwalt Wilhelm Schirp. Seine Kanzlei prüft gerade, ob das Gesetz auf den Fall anwendbar ist.
Doch nicht nur die jüngsten Fälle, in denen Anleger Schadenersatz wegen falscher Kapitalmarkt-Informationen beanspruchen, können auf eine finanzielle Rehabilitation hoffen. Die verbreitete Meinung, daß sämtliche Ansprüche nach drei Jahren erlöschen, ist nur die halbe Wahrheit. Fakt ist: Seit dem 1. Januar 2002 gilt eine Verjährungsfrist von drei Jahren, wenn Anleger falsch beraten wurden. Unter diese Regelung fallen etwa Immobilien, geschlossene Fonds und Beteiligungen. "Gerechnet wird diese Frist aber erst in dem Jahr in dem der Anleger von der Falschberatung Kenntnis erlangt hat", erläutert der Münchener Kapitalanlagerechtler Wilhelm Lachmair. "Dieser Zeitpunkt kann durchaus Jahre nach Abschluß des Vertrages sein." Anders verhält sich der Fall bei einer Falschberatung durch ein Bankinstitut beim Handel mit Wertpapieren wie etwa Aktien oder Optionsscheine. Hier gelten strengere Verjährungsregeln. Seit dem 1. April 1989 verjähren Schadenersatzansprüche in diesen Fällen bereits drei Jahre nach dem Zeitpunkt des Kaufs der Wertpapiere (BGH, Az. XI ZR 170/04). Im Fall der IBV-Fonds laufen einige Verjährungsfristen zum Ende des Jahres ab, erklärt Anwalt Schirp. Die Chancen der Investoren, etwas von ihrem Geld wiederzusehen, stehen zumindest in diesem Fall gar nicht schlecht. Denn das Land Berlin hat sich bereit erklärt, marode Anteile aufzukaufen. Auch wenn der Fonds selbst insolvent ist müssen nicht alle Ansprüche verloren sein. Insbesondere wenn es sich um sogenannte finanzierte Investitionen handelt (siehe Infokasten). "Wichtig ist in diesen Fällen die Beantwortung der Frage, ob ein für eine nahezu wertlose Kapitalanlage aufgenommenes Darlehen an die finanzierende Bank zurückgezahlt werden muß", sagt der Würzburger Anwalt Ulrich N. Bildl. Einen Anspruch gegen ein Kreditinstitut kann man zum Beispiel dann geltend machen, wenn es sich bei Fondsanteil und Darlehen um ein sogenanntes "verbundenes Geschäft" handelt. Dieses liegt nach Ansicht des Bundesgerichtshofes (BGH) dann vor, wenn sich Fondsgesellschaft und Bank derselben Vertriebsorganisation bedienen (BGH, Az. II ZR 373/00, Urt. v. 28.06.2004). "In einigen Fällen kann man dann einen Widerruf des Darlehensvertrags nach dem Haustürwiderrufsgesetz prüfen" sagt Jurist Bildl. Nämlich dann, wenn die Vertragsanbahnung in der Wohnung des Anlegers entstanden ist. Dies hätte zur Folge, daß das Geschäft rückabgewickelt wird. Der Sparer kommt dann in den Fällen der finanzierten Immobilienfonds von den Darlehensverpflichtungen wieder frei.
Artikel erschienen am Mo, 24. Oktober 2005, welt.de
von Christine Hunger
Die Fonds heißen Falk, IBV Deutschland oder Phoenix - und eigentlich sollten sie den Anlegern als Grundlage für die Altersvorsorge dienen. Doch statt dessen brachten sie das finanzielle Fiasko. Viele Investoren stehen jetzt vor einem Scherbenhaufen und wissen nicht, wie und ob sie jemals wieder an ihr Geld kommen.
Doch es gibt wieder Hoffnung: Geprellten Anlegern kommt ein neues Gesetz zugute. Am 1. November tritt das Gesetz über das Kapitalanleger-Musterverfahren (KapMuG) in Kraft. Danach können sich Anleger zusammentun und gemeinsam klagen. Der Vorteil: Dieses Vorgehen spart Mühe und vor allem viel Geld. Ein solches Musterverfahren kann von jedem Kläger beantragt werden, der Schadenersatz wegen falscher Kapitalmarkt-Informationen beansprucht. Sein Antrag wird im Klageregister des elektronischen Bundesanzeigers veröffentlicht. Innerhalb von vier Monaten müssen dann neun weitere Anträge mit gleicher Zielsetzung eingehen, um das Verfahren auszulösen. Das Gericht bestimmt dann einen Musterkläger. Die anderen Anleger wirken als Beigeladene mit, sofern sie es wollen. Das Urteil bindet schließlich alle. Geht der Prozeß verloren, werden die Kosten anteilsmäßig auf alle Schultern verteilt.
Aktuell gibt es noch keine laufenden Musterprozesse. Doch bei vielen Verfahren wird die Anwendung des KapMuG diskutiert. So auch im Frankfurter Prozeß um die Millionenklagen enttäuschter Kleinanleger gegen die Deutsche Telekom. Die Kläger verlangen Geld von dem Ex-Monopolisten für erlittene Kursverluste, weil sie sich von dem Börsenprospekt getäuscht fühlen. Wichtigster Angriffspunkt ist dabei die zu positive Bewertung der Immobilien. "Aber auch in Sachen IBV-Deutschland-Fonds kann eine Musterklage relevant werden", sagt Anlegeranwalt Wilhelm Schirp. Seine Kanzlei prüft gerade, ob das Gesetz auf den Fall anwendbar ist.
Doch nicht nur die jüngsten Fälle, in denen Anleger Schadenersatz wegen falscher Kapitalmarkt-Informationen beanspruchen, können auf eine finanzielle Rehabilitation hoffen. Die verbreitete Meinung, daß sämtliche Ansprüche nach drei Jahren erlöschen, ist nur die halbe Wahrheit. Fakt ist: Seit dem 1. Januar 2002 gilt eine Verjährungsfrist von drei Jahren, wenn Anleger falsch beraten wurden. Unter diese Regelung fallen etwa Immobilien, geschlossene Fonds und Beteiligungen. "Gerechnet wird diese Frist aber erst in dem Jahr in dem der Anleger von der Falschberatung Kenntnis erlangt hat", erläutert der Münchener Kapitalanlagerechtler Wilhelm Lachmair. "Dieser Zeitpunkt kann durchaus Jahre nach Abschluß des Vertrages sein." Anders verhält sich der Fall bei einer Falschberatung durch ein Bankinstitut beim Handel mit Wertpapieren wie etwa Aktien oder Optionsscheine. Hier gelten strengere Verjährungsregeln. Seit dem 1. April 1989 verjähren Schadenersatzansprüche in diesen Fällen bereits drei Jahre nach dem Zeitpunkt des Kaufs der Wertpapiere (BGH, Az. XI ZR 170/04). Im Fall der IBV-Fonds laufen einige Verjährungsfristen zum Ende des Jahres ab, erklärt Anwalt Schirp. Die Chancen der Investoren, etwas von ihrem Geld wiederzusehen, stehen zumindest in diesem Fall gar nicht schlecht. Denn das Land Berlin hat sich bereit erklärt, marode Anteile aufzukaufen. Auch wenn der Fonds selbst insolvent ist müssen nicht alle Ansprüche verloren sein. Insbesondere wenn es sich um sogenannte finanzierte Investitionen handelt (siehe Infokasten). "Wichtig ist in diesen Fällen die Beantwortung der Frage, ob ein für eine nahezu wertlose Kapitalanlage aufgenommenes Darlehen an die finanzierende Bank zurückgezahlt werden muß", sagt der Würzburger Anwalt Ulrich N. Bildl. Einen Anspruch gegen ein Kreditinstitut kann man zum Beispiel dann geltend machen, wenn es sich bei Fondsanteil und Darlehen um ein sogenanntes "verbundenes Geschäft" handelt. Dieses liegt nach Ansicht des Bundesgerichtshofes (BGH) dann vor, wenn sich Fondsgesellschaft und Bank derselben Vertriebsorganisation bedienen (BGH, Az. II ZR 373/00, Urt. v. 28.06.2004). "In einigen Fällen kann man dann einen Widerruf des Darlehensvertrags nach dem Haustürwiderrufsgesetz prüfen" sagt Jurist Bildl. Nämlich dann, wenn die Vertragsanbahnung in der Wohnung des Anlegers entstanden ist. Dies hätte zur Folge, daß das Geschäft rückabgewickelt wird. Der Sparer kommt dann in den Fällen der finanzierten Immobilienfonds von den Darlehensverpflichtungen wieder frei.
Artikel erschienen am Mo, 24. Oktober 2005, welt.de