Man hat Arbeitskräfte gerufen, und es kommen Menschen, sagte der Schriftsteller Max Frisch 1965 zur Thematik der Einwanderung ausländischer Arbeitskräfte in die Schweiz. Inzwischen stammt jeder fünfte Bewohner der Schweiz aus dem Ausland, und jede vierte Arbeitsstunde wird in unserem Land von einem Ausländer bzw. einer Ausländerin geleistet. Davon entfallen 75 Prozent auf Niedergelassene und 25 Prozent auf Jahresaufenthalter. Im internationalen Vergleich nimmt die Schweiz somit hinter den Kleinstaaten Liechtenstein und Luxemburg mit je gut 34 Prozent den dritten Platz ein. In Branchen mit eher einfachen, arbeitsintensiven Tätigkeiten ist der Ausländeranteil besonders ausgeprägt. So wird im Gastgewerbe fast jede zweite Arbeitsstunde von Ausländern geleistet, auf dem Bau und in der Industrie ist es jede dritte; auch im Detailhandel ist der Ausländeranteil relativ hoch. «Einer besseren Integration der Ausländerinnen und Ausländer in der Wirtschaft kommt heute höchste Bedeutung zu», erklärt Rudolf Horber, Sekretär des Schweizerischen Gewerbeverbandes SGV.
Die Einwanderung und die Integration von ausländischen Arbeitskräften sind polarisierende Themen, obwohl die Schweiz aus wirtschaftlichen und demographischen Gründen auf ausländische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter angewiesen ist. Hundertausende von Italienern haben die Tunnels durch die Schweizer Alpen gebohrt. Strassenbau, Spitäler, Gastronomiebetriebe und andere Wirtschaftszweige würden heute ohne Migranten über kurz oder lang zusammenbrechen.
Nicht mehr auf Integration verzichten
Die Wirtschaft hat ein Interesse an der Integration ausländischer Arbeitskräfte. Diese können ihr volles Potenzial erst ausschöpfen, wenn sie gut integriert sind und die Landessprache beherrschen. «Die soziale Integration hat in der Wirtschaft erst seit den Neunzigerjahren stark an Bedeutung zugenommen. Die Unternehmen können heutzutage nicht mehr auf Integrationsmassnahmen verzichten. Dies hätte für sie schwere negative Auswirkungen», sagt Boris Zürcher, Chef Arbeitsmarktpolitik beim Staatssekretariat für Wirtschaft (seco) in Bern. In Verbänden und Firmen laufen unterschiedliche Projekte zur Integration ausländischer Angestellter. Das Bundesamt für Ausländerfragen bewilligte zum Beispiel Ende April das Projekt «Ausländerintegration in die KMU-Arbeitswelt» des SGV. Ziel dieses Projekts ist die Vermittlung von einfachen und praxisnahen Tipps und Anregungen, wie der Kleinunternehmer die Ausländer in seinem Betrieb besser integrieren kann. Eine vom Verband Swissmechanic in Auftrag gegebene Studie zeigt auf, dass im kleinindustriellen oder gewerblich geprägten Umfeld das soziale Engagement gegenüber Mitarbeitenden und Lehrlingen - sei es aus der Schweiz oder fremden Kulturen - stark ausgeprägt ist. So arbeiten zum Beispiel in der Merz + Benteli AG im bernischen Niederwangen, einem Betrieb für Kleb- und Dichtstoffe, Angestellte aus rund zwölf Nationen, von Deutschland über Italien, Israel, die Türkei, Indien, Pakistan, Spanien, Nigeria, Uganda, Mazedonien und Sri Lanka bis zu den Philippinen. Integrationsprobleme gebe es in seinem Betrieb keine, sagt Robert R. Portmann, Mitglied der Geschäftsleitung. «Wir begegnen den Mentalitätsunterschieden absichtlich mit grossem Verständnis und einer gewissen Grosszügigkeit. Damit werden die in diesem Bereich auftauchenden Probleme sehr rasch ausgemerzt.» Zahlreiche ‹ehemalige› Ausländer haben in den vergangenen Jahren den Schritt in die Selbstständigkeit gewagt und sind heute bereits erfolgreiche KMU-Unternehmer, wie Robert Z. Welna, Direktor Swissmechanic, berichtet.
30 Prozent Ausländeranteil bei Coop
Auch Grossverteiler und Weltkonzerne können und wollen sich dem Thema Integration nicht verschliessen. Bei Coop zum Beispiel beträgt der Ausländeranteil rund 30 Prozent; darunter befinden sich Mitarbeitende aus 55 verschiedenen Ländern. Im Grossraum Zürich beispielsweise gibt es Verkaufsstellen mit überwiegenden Ausländeranteilen. «Ich erachte die Integration dieser Angestellten als extrem wichtig. Dies nicht nur aus betriebswirtschaftlichen, sondern auch aus personalpolitischen Gründen», sagt Peter Keller, nationaler Leiter Personal und Ausbildung. Coop verpflichtet jene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die über ungenügende Sprachkenntnisse verfügen, zum Besuch von Sprachkursen. Die Kosten gehen zu Lasten von Coop. Vorgesetzte achten darauf, dass in den Betrieben und Verkaufsstellen in der Landessprache kommuniziert wird. Bei internen Versetzungen werden allfällige Gruppenbildungen möglichst vermieden. Sozialdienst und Personalabteilung stehen im Falle von Rechtsfragen oder Problemen mit Behörden zur Verfügung. «Grundsätzlich werden ausländische Angestellte in allen Fragen absolut gleich behandelt, insbesondere auch im Bereich der Aus- und Weiterbildung.»
Ähnliche Wege in der Integration ausländischer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter geht auch die Migros, wo zurzeit 17,5 Prozent der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ausländischer Herkunft sind; sie arbeiten vor allem in den Bereichen Betrieb, Logistik, Verkauf und Gastronomie - je nach Sprachkenntnissen. «Bei der Migros Aare unterscheiden wir nicht zwischen Schweizern und Nichtschweizern. Wir haben auch keinen Grund dazu. Jenen Ausländern, die fast kein Deutsch verstehen, bieten wir spezielle Sprachkurse in der Klubschule an», sagt Urs Bucher, Leiter Personelles der Genossenschaft Migros Aare. In jüngster Zeit waren die Personalverantwortlichen der Migros allerdings weniger mit der Sprachintegration, als vielmehr mit dem Zusammenführen von Angestellten aus verschiedenen Volksgruppen beschäftigt. «Wir haben das Menschenmögliche gemacht, damit sich die verschiedenen Bevölkerungsgruppen aus dem ehemaligen Jugoslawien nicht noch am Arbeitsplatz das Leben schwer machen. Wir unternahmen alles, um Konflikte am Arbeitsplatz gar nicht erst entstehen zu lassen. Ich glaube, dass uns dies zum Glück ganz gut gelungen ist.»
Massgeschneiderte Sprachausbildung
Die Zusammenarbeit mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern aus verschiedenen Nationen hat auch bei Novartis Tradition. Gegenwärtig beschäftigt der Pharmariese in Basel Mitarbeitende aus über 60 Ländern. Die grössten Gruppen darin bilden die deutschen und französischen Grenzgänger. «Im Allgemeinen läuft die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Nationalitäten gut. Bei uns gibt es sehr viele gemischte Projektteams. Die Erfahrung zeigt, dass die Zusammenarbeit an gemeinsamen Projekten per se die interkulturelle Integration fördert», erklärt Mediensprecher Satoshi Sugimoto. Bei Novartis wird die Sprachausbildung vom internen Service-Center «Training & Development» durchgeführt. Über 60 Lehrkräfte unterrichten Deutsch-, Englisch, Französisch- oder Spanischkurse. Im Zentrum stehen dabei eine arbeitsplatzorientierte, massgeschneiderte Sprachausbildung, die auf die Bedürfnisse der Mitarbeiter ausgerichtet ist. Der so genannte «Novartis Welcome Service» kümmert sich um private Belange neuer Angestellter wie zum Beispiel Wohnungssuche, Begleitung bei Behördengängen oder administrative Vorbereitungen.
Den Menschen dahinter sehen
Verschiedene Bedingungen müssen für eine erfolgreiche Integration erfüllt sein. Dazu gehören im Wesentlichen gute Kenntnisse der jeweiligen Landessprache und die Bereitschaft, die neue Sprache zu erlernen. Mit Deutsch ist es aber häufig nicht getan, denn vielerorts wird die Verständigung in Schweizerdeutsch erwünscht, besonders bei direktem Kundenkontakt. «Eine moderate Anpassung an die Sitten und Bräuche des oft nicht freiwillig gewählten Gastlandes sind gerade im Umgang mit Kunden, aber auch mit Arbeitskolleg/innen wichtig.
Für eine erfolgreiche Integration dürfen laut Arbeitsmarktspezialist Boris Zürcher Unternehmen die ausländischen Angestellten nicht nur als wertvolle Arbeitskraft betrachten, sondern immer auch den Menschen dahinter sehen. «Die Integration ist allerdings nicht nur ein firmenspezifisches Thema. Es geht die ganze Gesellschaft etwas an.»
Integration in die Berufswelt
Junge Ausländerinnen und Ausländer begegnen gegenwärtig grösseren Schwierigkeiten, sich in den Berufsbildungsmarkt einzugliedern. Dies hat ein Expertenbericht zur Ausbildung und Integration von fremdsprachigen Jugendlichen auf der Sekundarstufe II (Berufs- und Mittelschulen) im
Auftrag der Schweizerischen Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektoren (EDK) aus dem Jahre 2000 ergeben. Fast ein Fünftel der ausländischen Jugendlichen aus der Sekundarstufe I mit tieferen Anforderungen haben nach der obligatorischen Schulzeit keine konkreten Ausbildungsmöglichkeiten und bleiben in einer ungewissen Ausbildungssituation. Bei den Schweizer Jugendlichen sind es proportional dreimal weniger Jugendliche ohne Lehrstelle. Die nationale Herkunft hat Auswirkungen auf die Ausbildungslaufbahn. So lösen ausländische Jugendliche öfter einen Lehrvertrag auf als Schweizer, wie verschiedene Studien zeigen. Die Experten geben unterschiedliche Gründe an. Sie reichen von mangeln-der Sprachkompetenz, Lernproblemen, fehlender Unterstützung durch das Elternhaus bis zu Problemen bei der Eingliederung in das «neue» Schul- und Gesellschaftssystem.
Ohne ausländische Arbeitskräfte würden manche Wirtschaftszweige in der Schweiz nicht mehr funktionieren. Der Integration fremdsprachiger Angestellter kommt deshalb eine wichtige Bedeutung zu. Viele Firmen haben dies erkannt.
Die Wirtschaft ist für einen wesentlichen Teil zu Integration von Ausländern mitverantwortlich.