Experten beklagen den zunehmenden Aufbau von Handelshemmnissen weltweit
Donnerstag, 26.01.2017 14:53 von | Aufrufe: 5100

Trump und die Abschottung des US-Marktes: Altes Rezept, ungewisser Ausgang

Experten beklagen den zunehmenden Aufbau von Handelshemmnissen weltweit - © scanrail istock.com

Die Zahlen der Welthandelsorganisation WTO sprechen eine eindeutige Sprache. Noch nie hat die Organisation seit Einführung ihrer Statistik vor neun Jahren ein so hohe Anzahl neu eingeführter protektionistischer Maßnahmen der G20-Staaten beobachtet wie zuletzt. In der vergangenen Beobachtungsperiode (Oktober 2015 bis Mai 2016) kamen im Schnitt monatlich 21 neue Handelshemmnisse hinzu. Insgesamt haben die 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer seit 2008 demnach 1.583 Regelungen getroffen, die den internationalen Warenverkehr erschweren. Lediglich 387 davon wurden bisher wieder abgeschafft.

Protektionismus ist keine Erfindung des neuen US-Präsidenten Donald Trump. Schon in vielen früheren Epochen haben Staaten versucht, die heimischen Produzenten durch Handelsbarrieren vor der Konkurrenz aus dem Ausland zu schützen. Strafzölle, wie Trump sie mehrfach den in Mexiko produzierenden Autokonzernen angedroht hat, sind dabei der offensichtlichste Eingriff, doch längst nicht die einzige Alternative für Regierungen. Quantitative Einfuhrbeschränkungen, das Auferlegen bestimmter technischer Anforderungen oder Umweltauflagen erschweren ausländischen Produzenten ebenso den Marktzugang wie beispielsweise spezielle Lizenzierungsverfahren oder Subventionen für die ortsansässigen Hersteller.

Durchschnittliches Zollniveau stieg nach 2010 erstmals seit 13 Jahren wieder an

Auch durch neue Handelsabkommen und die fortschreitende Marktöffnung großer Schwellenländer wie Indien und China waren die weltweiten Zölle über lange Zeit hinweg stetig gesunken. Lag das durchschnittliche weltweite Zollniveau für alle Güter nach Zahlen der Weltbank 1997 noch bei elf Prozent, ging dieser Wert bis zum Jahr 2010 auf 6,2 Prozent zurück. Parallel hierzu sei aber die Zahl der nicht-tarifären Handelshemmnisse („non-tariff barriers“) sehr stark gestiegen, klagte der frühere Chefökonom der Weltbank-Researchabteilung Chad P. Bown bereits vor drei Jahren. Seit 2010 verzeichnet die Weltbank nun auch bei den Zöllen wieder ansteigende Werte.

Der neue US-Präsident Donald Trump könnte diese Entwicklung beschleunigen. Er macht in den ersten Amtstagen bereits Ernst mit seinen Plänen: Trump kassierte das Transpazifische Freihandelsabkommen TTP mit Australien, Neuseeland, Japan und weiteren Staaten ein. Der in langen Jahren ausgehandelte Vertrag wird von den USA nicht ratifiziert und tritt daher nicht in Kraft. Gespräche will Trump jetzt auch möglichst rasch mit Kanadas Premier Justin Trudeau und Mexikos Präsidenten Enrique Peña Nieto führen, um das seit 1994 bestehende Nordpazifische Freihandelsabkommen neu zu verhandeln. Notfalls will er den Vertrag aufkündigen, sollten die Nachbarstaaten ihm nicht entgegenkommen. Und den Bossen großer Konzerne, die Trump zu einem Treffen nach Washington eingeladen hatte, drohte er weiter mit Strafzöllen, sollten sie Waren in Mexiko produzieren und in den USA verkaufen wollen.

Solche Strafzölle könnten die Beschäftigung in dem jeweils geschützten Sektor kurzfristig zwar durchaus erhöhen, meint Dr. Klaus-Jürgen Gern, Experte für internationale Konjunktur am Institut für Weltwirtschaft in Kiel. „Es ist aber nicht sicher, dass auch die Beschäftigung insgesamt steigt.“ Auf längere Sicht würden zum einen die Verteuerung von Vorleistungen für die inländische Industrie und zum anderen negative Produktivitätseffekte das Wachstum und die Exportwirtschaft des Landes belasten. Reale Einkommensverluste und Jobabbau wären dann die Folge.

Gern erinnert daran, dass die USA bereits in den 1980er Jahren handelspolitische Maßnahmen zum Schutz des Automobilsektors und der Chip-Industrie gegenüber japanischer Konkurrenz getroffen hatten. „Sie waren letztendlich nicht erfolgreich und haben der US-Wirtschaft längerfristig geschadet“, sagt der Konjunkturforscher.

IfW: Ein Prozent der deutschen Wertschöpfung entfällt auf Export von Autos in die USA

Für die deutsche Automobilindustrie sind die USA nach wie vor der wichtigste Exportmarkt. Rechnerisch, so hat es das Institut für Weltwirtschaft ermittelt, entfallen ein Prozent der gesamten deutschen Wertschöpfung und 200.000 Arbeitsplätze auf die Ausfuhr von Autos in die USA. Die deutsche Wirtschaft könnten Strafzölle also durchaus empfindlich treffen.

Weil eines der Hauptziele der neuen Regierung offenbar ist, Arbeitsplätze in die USA zurückzuholen, sehen die Experten von HSBC Global Research vor allem jene Staaten im Fokus der US-Handelspolitik, die viele Güter in die USA ausführen. Das sind, dem Exportvolumen nach geordnet, ihren Angaben zufolge China, Mexiko und Kanada – gefolgt von Japan, Deutschland und Südkorea.

Bei der NordLB sehen Analysten Trumps Wirtschafts- und Finanzpolitik als „riesiges politisches Experiment“, als eine Wette darauf, dass sich Handelsbeschränkungen, die angestrebten Steuersenkungen und zusätzliche Staatsausgaben über einen Konjunkturschub finanzieren lassen – Ausgang allerdings ungewiss. Bereits im November hatte die Bank in Modellrechnungen verschiedene Szenarien durchgespielt. Während die Vorhersagen für das US-Wirtschaftswachstum je nach Szenario stark differierten, waren in allen drei Modellrechnungen ein Anziehen der Inflation in den USA und steigende Zinsen wahrscheinlich.


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Dies deckt sich mit der Einschätzung von Marcelo Carvalho von BNP Paribas, auch er erwartet für die USA eine steigende Inflation und steigende Zinsen. Kurzfristig könne es auch einen Wachstumsschub geben. Die längerfristigen Auswirkungen seien aufgrund vieler offener Fragen hingegen weiterhin alles andere als klar. Carvalho: „Die großer Herausforderung für die Trump-Administration wird es sein, die riesigen Erwartungen zu erfüllen.“

 

Fragen und Antworten zu Trumps Wirtschatspolitik hat das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) zusammengestellt (hier klicken).

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