Der Europäische Gerichtshof verhandelt über die Klage eines Tui-Aktionärs, der vorgibt, für Arbeitnehmerrechte zu kämpfen. Doch darin sehen Beobachter eine List. Der Fall kann die Besetzung von Aufsichtsräten verändern.
Für die Gewerkschaften ist Konrad Erzberger so etwas wie der Wolf im Schafspelz. Der Investor gibt vor, für die Rechte von Arbeitnehmern zu kämpfen. Seine wahre Natur, so argwöhnt nicht nur der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), liege aber unter dem tarnenden Fell verborgen: In Wahrheit gehe es dem Berliner nämlich darum, die deutsche Mitbestimmung zu schleifen.
Wie Erzberger zum Gewerkschaftsschreck werden konnte, ist leicht erklärt. Er hat sich einige Aktien des Reisekonzerns Tui gekauft und damit das Recht erworben, die Zusammensetzung des Aufsichtsrats per Gericht überprüfen zu lassen. Und wie dieses Kontrollgremium zustande kommt, gefällt ihm gar nicht. Denn nach dem Mitbestimmungsgesetz dürfen nur die rund 10.000 im Inland beschäftigten Tui-Mitarbeiter die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat wählen. Außen vor bleiben die rund 40.000 Beschäftigten, die im Ausland arbeiten.
Für Erzberger ist diese vermeintliche Benachteiligung ein eindeutiger Verstoß gegen die EU-Verträge. Er sieht das Diskriminierungsverbot und die Freizügigkeit der Arbeitnehmer verletzt und ist deshalb vor Gericht gezogen. Das Kammergericht Berlin, was in anderen Bundesländern dem Oberlandesgericht entspricht, hat den Fall wiederum dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) vorgelegt. Die mündliche Verhandlung findet an diesem Dienstag statt.
Für die Gewerkschaften geht es um viel. Für sie ist die Mitbestimmung das zentrale Element der deutschen Wirtschaftsdemokratie. Das Gesetz, auf dem sie fußt, ist im vergangenen Jahr 40 Jahre alt geworden. Bei einer Feierstunde würdigte Bundespräsident Joachim Gauck die Mitbestimmung damals als „wichtiges Kulturgut“. Derzeit gibt es in Deutschland über 600 Firmen mit jeweils mehr als 2.000 Mitarbeitern, die nach dem Gesetz von 1976 mitbestimmt sind.
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