(Neu: SZ-Bericht über Teilrückzug Daimlers nach aufgeflogenem Lkw-Kartell, SZ-Interview mit dem Chef des Bundesverbands der Verbraucherzentralen, Klaus Müller)
BERLIN (dpa-AFX) - Die deutschen Autohersteller geraten wegen des Kartellverdachts mit möglichen Schäden für Kunden und Zulieferer immer stärker unter Druck. Der Ruf nach rascher Aufklärung wird immer lauter - sowohl aus dem Gewerkschaftslager und von Betriebsräten als auch aus Politik und Forschung mehren sich entsprechende Stimmen. IG-Metall-Chef Jörg Hofmann, der auch Mitglied des VW-Aufsichtsrats ist, in der "Welt" (Montag): "Wir verlangen eine vollumfängliche Aufklärung der Vorgänge. Klar ist, dass das deutsche und europäische Kartellrecht nicht verletzt werden darf und Absprachen zu Lasten von Verbrauchern sowie des Klima- und Umweltschutzes völlig inakzeptabel wären."
Deutschlands oberster Verbraucherschützer Klaus Müller rechnet mit einer Klagewelle, sollten sich die Vorwürfe gegen die Autohersteller bewahrheiten. Er geht von zehntausenden Verfahren aus, in denen Käufer Schadenersatz für überteuerte Fahrzeuge verlangen werden. Wegen der im Raum stehenden Absprachen der Hersteller hätten viele Kunden einen "möglicherweise viel zu hohen Preis" für ihre Autos gezahlt, sagte der Chef des Bundesverbands der Verbraucherzentralen der "Süddeutschen Zeitung" (Montagausgabe)
HERSTELLER GEBEN SICH BEDECKT ODER WEICHEN AUS
Der "Spiegel" hatte zuvor über ein angebliches Autokartell berichtet. Demzufolge sollen Vertreter von VW
Treffen die Vorwürfe zu, steht illegales Kartellverhalten im Raum. Damit können etwa Preise gegenüber Kunden künstlich hoch gehalten oder gegenüber Zulieferern gedrückt werden. Daimler sprach von "Spekulationen", VW-Chef Matthias Müller in der "Rheinischen Post" (Samstagausgabe) von "Spekulationen und Sachverhaltsvermutungen". Weiter wollte er sich dazu nicht äußern. BMW stellte mit Blick auf die AdBlue-Tanks jedoch klar: "Den Vorwurf, dass aufgrund zu kleiner AdBlue-Behälter eine nicht ausreichende Abgasreinigung in Euro-6-Diesel-Fahrzeugen der BMW Group erfolgt, weist das Unternehmen entschieden zurück."
'SZ': DAIMLER ZOG SICH NACH LKW-KARTELL TEILWEISE ZURÜCK
Einem Bericht der "Süddeutschen Zeitung" zufolge ließ sich die Branche auch nicht durch das 2011 aufgeflogene Lkw-Kartell zurückschrecken. Lediglich Daimler habe sich danach zumindest teilweise aus den geheimen Gesprächsrunden zurückgezogen. Daimler wurde von der EU-Kommission wegen der Teilnahme an Preisabsprachen für Lkws zu einem Bußgeld von knapp 1,1 Milliarden Euro verdonnert. Ob der Teil-Rückzug genügt, um Daimler vor einem neuen Bußgeld zu bewahren, bleibe abzuwarten.
Der Stuttgarter Konzern habe ebenso wie Volkswagen (VW Aktie) Selbstanzeige bei den Kartellbehörden erstattet. Das solle, ebenso wie bei Steuerhinterziehern, vor Strafe schützen. Daimler führte dem Bericht zufolge 2011 spezielle Kartellrechts-Lehrgänge ein. In diesen haben Juristen der Belegschaft beigebracht, was erlaubt ist und was nicht. Zugleich sollen die Schwaben begonnen haben, sich aus den geheimen Treffen mit VW, Audi, Porsche und BMW teilweise zurückzuziehen.
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VOLKSWAGEN-BETRIEBSRAT WILL AUFKLÄRUNG
Der VW-Betriebsrat dringt auf eine außerordentliche Aufsichtsratssitzung. Ein Sprecher sagte der Deutschen Presse-Agentur am Sonntag: "Der Vorstand ist in der Pflicht, das Aufsichtsgremium umfassend zu informieren. Das ist bislang nicht geschehen."
Die Grünen verlangen ein Sondertreffen des Verkehrsausschusses im Bundestag. Beantragt werde "eine kurzfristig einzuladende Sondersitzung für Ende Juli", sagte Verkehrsexperte Oliver Krischer. Man wolle so Klarheit über die möglichen "Machenschaften des Autokartells" bekommen, die - sollten sie sich bestätigen - "ungeheuerlich" seien. SPD-Verkehrsexpertin Kirsten Lühmann sprach von einer größeren Dimension der Abgasaffäre als bisher bekannt.
BUNDESKARTELLAMT ÄUSSERT SICH NICHT
Der "Spiegel" stützte seine Darstellung auf einen Schriftsatz, den VW auch für Audi und Porsche bei den Wettbewerbshütern eingereicht haben soll. Daimler habe ebenfalls eine "Art Selbstanzeige" hinterlegt. Das Bundeskartellamt erklärte: "Details laufender Verfahren können wir nicht kommentieren." Konkreter Hintergrund der neuen Vorwürfe sind dem Bericht zufolge Ermittlungen wegen des Verdachts auf Absprachen von Stahlpreisen, im Sommer 2016 hatte es Durchsuchungen gegeben.
FDP-Chef Christian Lindner nannte den Verdacht schockierend. "Sollte sich der Kartell-Verdacht erhärten, darf diese Aushebelung marktwirtschaftlicher Prinzipien nicht folgenlos bleiben." Der Umweltverband BUND forderte "ein sofortiges Verkaufsverbot für alle Pkw, welche Grenzwerte auf der Straße nicht einhalten". Autoexperte Stefan Bratzel bekräftigte, "dass in großen Teilen der Autoindustrie ein ethisch-organisatorischer Kulturwandel stattfinden muss"./jap/DP/zb/jha/
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