Sonntag, 24.07.2016 11:21 von Klaus Stopp | Aufrufe: 527

Vorschlag eines Schuldentilgungsfonds bereitet Bauchschmerzen

In einer Zeit, in der Europa seine Brexit-Wunden leckt, macht Handelsblatt-Chefökonom Dirk Heilmann genau das Richtige: Er schaut nach vorne, indem er drei Leuchtturmprojekte der Europäischen Union (EU) anregt, mit denen die Gemeinschaft ihre Handlungsfähigkeit beweisen könnte.


Den beiden ersten Ideen, dem Aufbau eines digitalen EU-Binnenmarkts sowie der Auflegung eines Investitionsprogramms für Energieeffizienz, sei hier ausdrücklich zugestimmt. Beide Programme ließen sich zügig umsetzen, und vor allem wäre das Geld an der richtigen Stelle investiert, weil es die Grundlagen für weiteres Wachstum in der Zukunft legen würde.

Einzig, den dritten Vorschlag, den Herr Heilmann macht, bereitet dem Autor dieser Zeilen Bauchschmerzen. Der Handelsblatt-Chefökonom regt die Reform der Europäischen Währungsunion an, was er selbst als das dickste Brett, das es zu bohren gilt, bezeichnet. Dass es hier Reformbedarf gibt, bleibt unwidersprochen. Allerdings schlägt Heilmann einen temporären Schuldentilgungsfonds für Staatsschulden vor, wie er vom deutschen Sachverständigenrat bereits vor 5 Jahren entworfen wurde.

Demnach würden in diesem Fonds alle Staatsschulden der Euro-Zone gebündelt werden, die über die Maastricht-Quote von 60% des BIPs in dem jeweiligen Land hinausgehen. Diese Altschulden würden durch die Ausgabe von Euro-Bonds refinanziert werden, für die alle Euro-Staaten haften. Die Tilgung müsste über einem fixierten Zeitraum erfolgen. Wenn ein Land anschließend neue Schulden aufnehmen möchte und immer noch eine Verschuldungsquote von 60% aufweist, dürfte es dies nur mit einem eigenen Bond refinanzieren – ohne Haftung der Gemeinschaft. Damit käme es für Neuschulden zu den wünschenswerten, nach Risiko differenzierten Zinssätzen.

Einen solchen Schuldentilgungsfonds beschreibt Heilmann als wichtiges Signal der Solidarität und der Berechenbarkeit, was ohne Zweifel richtig ist. Es würde aber auch bedeuten, dass diejenigen Länder, die in der Vergangenheit über ihre Verhältnisse gelebt haben, dafür im Grunde auch noch belohnt würden. Und ob sie während der Laufzeit solcher Euro-Bonds sich nicht wiederum zu sehr auf die Gemeinschaftshaftung verlassen würden, muss zumindest ins Kalkül gezogen werden. Dann würden gegebenenfalls am Ende die starken Länder tilgen und müssten im schlimmsten Fall die Krisenländer erneut retten, da diese sich nur zu marktgerechten Konditionen am Kapitalmarkt refinanzieren könnten.

Es soll hier dennoch nicht ausgeschlossen werden, dass ein Schuldentilgungsfonds tatsächlich ein gangbarer Weg wäre. Vielleicht ist dies ja auch der Preis, den wir für eine weiterhin funktionierende Wertegemeinschaft mit freiem Handel und Frieden, bezahlen müssen. Dafür könnte man auch bis zu einem gewissen Grad Bauchschmerzen aushalten.



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Baader Bank AG
Klaus Stopp ist Head of Market Making Bonds bei der Baader Bank AG. Baader betreut an den Börsenplätzen Berlin, Frankfurt und München u.a. den Handel mit Anleihen und betreut Deutschlands führende Anleihen-Website Bondboard.
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