Nach Jahren, in denen sich die Lufthansa vor allem mit sich selbst beschäftigte und z.B. intensive Arbeitskämpfe ausgefochten wurden, schaltet der Konzern wieder auf Expansion. Nicht nur werden dank freundlicher staatlicher Unterstützung die Filetstücke der bankrotten Air Berlin übernommen, auch bei der ebenfalls insolventen Air Italia würde man gern zuschlagen.
Das zeigt, worauf es im Luftfahrtmarkt hinaus läuft: Der harte Wettbewerb sorgt für eine Konsolidierung der Branche, freundlich gesprochen. Weniger freundlich: Die Starken fressen die Schwachen. Die Lufthansa jedenfalls zählt wohl zu den Überlebenden im Verdrängungswettbewerb, wie auch der starke Kursanstieg der Aktie in den letzten 12 Monaten unterstreicht: Mit einem Plus von mehr als 100 Prozent seit Jahresbeginn ist die Lufthansa der Top-Performer unter den 30 DAX-Aktien.
Die starke Performance der Aktie hat aber nicht nur mit dem geschickten Ausnutzen der Insolvenz von Air Berlin zu tun, die Ursachen liegen tiefer und betreffen teils die gesamte Branche.
Das spricht für die Lufthansaaktie
1. Die Konjunktur weltweit und speziell auch in Europa hat in diesem Jahr deutlich angezogen und sie dürfte auch in nächster Zeit stark bleiben. Das bringt wachsenden Fracht- und Passagierverkehr und damit mehr Umsatz und Gewinn für die Airlines.
2. Der Ölpreis ist niedrig und damit ist auch der Treibstoff für Flugzeuge günstig, für die Branche ist das ein wichtiger Kostenfaktor.
3. Die Zahl der Konkurrenten sinkt. Der starke Wettbewerb durch Billigflieger und durch die expandierenden Fluglinien aus den Golfstaaten hat dazu geführt, dass "Player" wie Air Berlin aus dem Markt ausscheiden. Damit verbessern sich die Chancen für die Unternehmen, die übrig bleiben.
4. Die Lufthansa hat die schwierigen Jahre dazu genutzt, Kosten zu senken und sich besser aufzustellen, z.B. durch eine Modernisierung der Flotten und einen Ausbau der eigenen Billigflieger-Marke. Die Arbeitskämpfe wurden beigelegt und stören das Geschäft derzeit nicht mehr.
Trotz Rallye immer noch günstig bewertet?
Die 4 Punkte sind eine Erklärung für die Kursexplosion der letzten Monate, aber können sie die Aktie auch weiter nach oben tragen? Möglich, aber eben nicht sicher. Die Treibstoffkosten könnten steigen, die Wettbewerbsintensität nochmals zunehmen und es kann neue Arbeitskämpfe geben. Um nur einige der Risiken zu nennen.
Die Bewertung der Lufthansaaktie ist trotz der starken Kursrallye mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis 2018e von 7,1 nicht hoch, es ist sogar das zweitniedrigste KGV aller DAX-Aktien. Das spiegelt die hohen Risiken im Luftfahrtmarkt und die starke Zyklik, sprich Konjunkturabhängigkeit, des Geschäfts wider.
Weiteres Kurspotenzial lässt sich daher daraus nicht ableiten. Allerdings spricht die niedrige Bewertung auch gegen einen Kurseinbruch, das gilt auch für die durchaus nicht zu verachtende Dividendenrendite von 2,6 Prozent.
Fazit
Charttechnisch steht die Aktie im Bereich von 26 Euro vor einer starken Widerstandszone. Das Allzeithoch bei gut 28 Euro datiert übrigens aus dem Jahr 1998. Kurzfristig gibt es allerdings charttechnisch noch keine Signale dafür, dass die Aufwärtsdynamik zu Ende ist.
Langfristig orientierte Anleger sollten derzeit jedoch nicht auf die Aktie setzen, denn in den letzten 20 Jahren folgten auf starke Rallyes auch immer wieder Kurseinbrüche. Eine Korrektur kann zwar noch etwas auf sich warten lassen, aber sie wird kommen.
Erfolgreiche Investments wünscht
Ihr
Stefan Böhm
Chefredakteur DaxVestor
http://www.dax-vestor.de