In Folge der europäischen Sanktionen gegen Russland, verhängt Russland seinerseits Importverbote. Die EU-Botschafter einigten sich darauf, Russlands Zugang zu den EU-Finanzmärkten zu erschweren und Rüstungsexporte sowie Exporte zur Ölförderung zu verhindern. Russland soll so dazu gebracht werden, im Ukraine-Konflikt stärker einzugreifen. Statt einzulenken, greift Regierungschef Wladimir Putin zu Gegenmaßnahmen und verbietet die Einfuhr zahlreicher Waren und Lebensmittel aus der EU, den Vereinigten Staaten sowie Kanada, der Schweiz und Japan nach Russland. Nun erwägt Putin sogar ein Importverbot für westeuropäische Autos. Die Sanktionen belasten somit nicht nur die russische sondern auch die deutsche Wirtschaft. Wer geht dabei bei dieser Taktik als Gewinner und wer als Verlierer hervor?
nb - Ungeachtet der Tatsache, dass Russland nur auf Platz 11 der größten Handelspartner Deutschlands steht, könnten vor allem einzelne Firmen und Branchen in Deutschland stark von den Sanktionen getroffen werden – stärker als die deutsche Gesamtwirtschaft an sich. Für die seien die Strafmaßnahmen durchaus verschmerzbar. Laut dem Institut der Deutschen Wirtschaft würden die Sanktionen das Bruttoinlandsprodukt um 16,4 Milliarden Euro schmälern können. Allerdings nur, wenn der unwahrscheinliche Fall eintritt, dass alle Ausfuhren nach Russland komplett gestrichen werden.
Die deutsche Rüstungsindustrie ist kaum von den Strafmaßnahmen betroffen - denn hier gehört Russland nicht einmal zu den 20 wichtigsten Exportländern. Auch für Russland ist dieser Einschnitt zu verkraften, da sie hauptsächlich mit anderen Schwellenländern handeln. Vielmehr zu befürchten, hat da die Maschinenbaubranche in Deutschland: Bei 24 Prozent deutscher Ausfuhren nach Russland handelt es sich um Maschinen und Anlagen. Damit ist Russland der viertgrößte Exportpartner für die deutsche Maschinenbaubranche. Daraus resultierend verringert der Branchenverband der Maschinen- und Anlagebauer (VDMA) seine Produktionsprognose für das laufende Jahr.
Noch dramatischer sind die Folgen des Russlands-Embargos wohl für die mittelständischen Unternehmen – vor allem in Ostdeutschland. Laut dem Bundesverband Mittelständischer Unternehmen (BVMW) seien durch die Strafmaßnahmen 300.000 Arbeitsplätze gefährdet, da diese mit Russland involviert seien. BVMW-Präsident Mario Ohoven befürchtet bei einer aus den Handelssanktionen resultierenden Rezession in Russland einen Verlust von einem halben Prozentpunkt Wachstum.
Gerade für die deutschen Landwirte war Russland ein wichtiger Markt für die Hauptexportprodukte, Fleisch und Milchware. Auch Gemüse und Obst sind von den Einfuhrverboten betroffen - und zwar für ein Jahr. Um die Verluste, gerade für die europäischen Bauern, auszugleichen, stellt die EU den Erzeugern einiger Obst- und Gemüsesorten 125 Millionen Euro bereit. Ansonsten werden für die Lebensmittelindustrie keine weitreichenden Konsequenzen erwartet. Im Jahr 2013 exportierte die Agrar- und Ernährungswirtschaft mit 1,6 Milliarden Euro bereits 14 Prozent weniger Ware nach Russland als im Jahr 2012. Bereits seit Anfang 2014 hat besonders die deutsche Fleisch-Industrie mit Exportverlusten nach Russland zu kämpfen. Bei der Firma Westfleisch in Münster werden bereits die ersten Rindfleischladungen auf dem Weg nach Russland wieder zurückgeschickt, doch stellt dies keine Existenzbedrohung für Westfleisch dar. Nur fünf Prozent des Gesamtumsatzes werde über die Ausfuhr nach Russland generiert.
Wer wohl viel mehr als Leidtragender aus dieser Sanktion hervorgeht, sind die russischen Verbraucher. Putin selbst propagiert, von den Sanktionen profitieren zu können und kündigt wirtschaftliche Autarkie an. Nicht gelieferte Waren sollen zukünftig einfach selbst hergestellt werden. Da dies nicht von heute auf morgen realisierbar ist, müssen die Konsumenten in Russland mit Qualitätsverlusten, Preiserhöhungen und weniger Auswahl im Supermarkt rechnen. Um die Folgen des Lebensmittel-Embargos zunächst aufzufangen, spricht Putin der Agrarindustrie eine Unterstützung von einer Milliarde Euro pro Jahr zu.
Die von Deutschland festgelegten Sanktionen treffen Russland zusehends. Vor allem die Tatsache, dass den russischen Banken der Handel mit EU-Anleihen verboten wird, führt zu erhöhten Kosten zur Finanzierung der bereits angeschlagenen Wirtschaft. Das verlangsamte Wachstum, lässt die Devisenreserven schrumpfen. Die Folge war bereits spürbar: Der Rubel verlor gegenüber dem Euro stark an Wert und auch der Moskauer Börsenindex rutschte gefährlich ab. Russland droht in eine Rezession zu fallen. Der Werteverlust des Rubels wiederum hat Auswirkungen auf exportstarke Unternehmen wie Adidas, Marktführer bei Sportartikeln in Russland. Der Sportartikelhersteller befürchtet eine sinkende Kauflaune seiner Kunden und reduziert seine Umsatz- und Gewinnprognose für 2014. Der schwache Rubel ließ weiterhin bereits im ersten Quartal die Gewinne des Stromversorgers E.on schwinden.
Im Gegenzug wurde EU-Investoren verboten, Aktien oder Anleihen von mehr als 90 Tagen Laufzeit von russischen Staatsbanken zu erwerben. Washington hat ähnliche Schritte eingeleitet. So darf auch das Mineralunternehmen Rosneft keine dieser Aktien oder Anleihen an USA-Investoren verkaufen.
Gerade bei der Technologie zur Erdölförderung ist Russland auf ausländische Einfuhren angewiesen. Der Ölkonzern Rosneft musste Putin bereits um Hilfe in Milliardenhöhe bitten. Das Öl-Unternehmen darf bis auf Weiteres keine westlichen Technologien importieren. Der gesperrte Zugang zum westlichen Kapitalmarkt bedeutet, dass das frisch verschuldete Unternehmen keinen Zugriff mehr auf frisches Geld aus London, New York oder anderen westlichen Anleihemärkten hat. Ob Putin dem Hilferuf Rosneft nachkommt, entscheidet sich in den nächsten Tagen.
Die Ukraine bereitet ebenfalls Sanktionsmaßnahmen vor: Eine Liste von 65 Firmen und Einzelpersonen sollen blockiert werden. Betrifft dies auch die Unternehmen Gazprom und Transneft, könnte es zu einem Stopp der Energielieferung von Öl und Gas aus Russland nach Westeuropa kommen. Da Gazprom 30 Prozent des Gasbedarfs in Europa deckt, wäre das fatal. Die Märkte reagierten auf diese Spekulation sofort: Die Preise am Londoner Erdgasmarkt stiegen. Laut Aussage des Ukraine-Gasnetzbetreibers Naftogaz werde das Gas selbst bei eintretender Sanktion nach Europa weitergeleitet. Auch Russland wird wohl kein Transitverbot gegen Europa als Gegenmaßnahme verhängen, da sie auf Europa als Kunden angewiesen sind, um ihren Staatshaushalt zu finanzieren.
Seit August wird die Stimmung der Börsenprofis durch die anhaltenden Konflikte in der Ukraine deutlich getrübt. Besonders die Energiewerte wie Petroleum oder Consol Energy sinken aufgrund des belasteten Ölpreises. Auch der Dax bleibt von der Ukraine-Krise nicht verschont. Zeitweise rutscht er auf den tiefsten Stand seit fünf Monaten. Auch einzelne Aktienwerte sind betroffen: Die Aktie des stark in Osteuropa investierten Konzerns Henkel bricht um mehr als sechs Prozent ein und bildete die Schlussposition im Dax.
Ganz nach dem Motto - „Wenn sich zwei streiten, freut sich der Dritte“ - geht China als Gewinner hervor und zieht seinen Vorteil aus dem Importverbot von europäischem Obst und Gemüse. Die Chance erkannt, baut das Unternehmen Baorang ein Handelszentrum in der an Russland grenzenden Provinz Dongning auf. Es soll dort ein Großhandelsmarkt im Wert von 9,7 Millionen Dollar errichtet werden. Damit hofft China, die fehlenden Importe aus der EU ausgleichen zu können. Obwohl die chinesische Regierung die Strafmaßnahmen der EU nicht unterstützt, treffen sie Russland härter als gedacht. Laut Ex-Finanzminister Alexej Kudrin würden sie die russische Wirtschaft in den nächsten drei Jahren mit mindestens 200 Milliarden Dollar belasten. Laut der Welt habe die Angst vor weiteren wirtschaftlichen Problemen einen offenen Einmarsch in die Ostukraine verhindert. Damit zeigen die Sanktionen aus dem Westen bereits enorme Wirkung.
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