Candlestick Chart (Symbolbild).
Freitag, 24.10.2014 11:10 von | Aufrufe: 3147

Börse 2.0: Neues Börsensegment für IPOs deutscher Startups

Candlestick Chart (Symbolbild). Kiyoshi Takahase segundo http://www.gettyimages.de/

In der deutschen Startup-Szene wurde bisher vor allem das Berliner Jungunternehmen Zalando als größte Börsenhoffnung gehandelt. Im Oktober 2014 wagte der Online-Händler dann den Gang an die Börse – und scheiterte zunächst. Einen Tag später folgte der Startup-Brutkasten Rocket Internet dem Versandhändler Zalando auf das Börsenparkett. Auch die Performance von Rocket Internet blieb schwach. Dennoch plant Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel ein eigenes Börsensegment für deutsche Startups, das jungen Firmen helfen soll, leichter an Kapital zu kommen.


Sigmar Gabrielnb - Zalando ist nur eins der vielen Startups, das von Unternehmensschmiede Rocket Internet innerhalb weniger Monate aufgebaut und hochgezogen wurde. Beide Unternehmen der Samwer-Brüder ließen Anfang Oktober ihre Aktien in Frankfurt listen. Direkt nach der Erstnotiz folgte sowohl bei Zalando als auch bei Rocket Internet ein extremer Kursverfall der Aktien. Mittlerweile hat sich der Kurs zwar stabilisiert, blieb bisher aber noch unter seinem Ausgabekurs. Die Zalando-Aktie liegt momentan bei einem Wert von 18,735 Euro und damit rund 2,75 Euro unter dem Ausgabekurs. Bei Rocket Internet sieht das ähnlich aus. Die Aktie von Rocket Internet liegt mittlerweile 3,55 Euro unter dem Emissionskurs. Bereits Ex-Wirtschaftsminister Philipp Rößler hatte sich zu seiner Amtszeit als Wirtschaftsminister für die Einführung eines neuen Börsensegments ausgesprochen. Auf dem 8. IT-Gipfel in Hamburg kündigte Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (Foto) an, dass dies jetzt auch umgesetzt werden soll. Ein genauer Termin stehe aber noch nicht fest.


Börse 2.0 in Deutschland

Der Börsengang Zalandos galt als Zeichen des Erfolgs für die deutsche Startup-Szene. Denn mit dem siebtgrößten Börsengang Deutschlands ermutigte Zalando laut BITKOM-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder andere Startups in Deutschland: „Der Börsengang von Zalando zeigt, dass es auch in Deutschland möglich ist, in größerem Maßstab zu denken. Er ist ein Beispiel dafür, dass es sich lohnen kann, auf internationale Expansion statt auf den schnellen Exit zu setzen.“

Auch wenn die Börsengänge Zalandos und Rocket Internets weniger erfolgsversprechend waren als angekündigt, fordert Gabriel die Deutschen zu mehr Wagnis bei Investitionen in Startups auf. Auf dem 8. IT-Gipfel in Hamburg kündigte Gabriel an, dass in Kooperation mit der Deutschen Börse eine „Börse 2.0“ ins Leben gerufen werden soll. Mit dem neuen Börsensegment sollte es für Jungunternehmen einfacher möglich sein, an Kapital zu kommen.


Deutsche Investoren bisher risikoscheu

Will ein Unternehmen derzeit in Deutschland an die Börse gehen, müssen einige Voraussetzungen erfüllt sein. Bisher versuchten es kleine und mittelständige Unternehmen vor allem im Entry Standard. Akzeptiert werden hier Unternehmen, die zwei Jahre alt sind und ein Grundkapital von 750.000 Euro vorzeigen können. Aber ein gut laufendes Geschäft reicht meistens nicht aus. Investoren sind entscheidend. Gerade in der Anfangszeit benötigen Startups eine große Menge an Geld, um ihren Wachstum finanzieren zu können. Will man sein Kapital vermehren, ist der Gang an die Börse verlockend, sollte aber gut durchdacht werden. Bevor das Unternehmen überhaupt gelistet ist, müssen Anwälte, Wirtschaftsprüfer, Steuerberater und die begleitenden Banken bezahlt werden. Hat man sich dann einen Platz auf dem Parkett gesichert, bleiben die Kosten nicht aus. Für die Transparenz müssen Halbjahres- und Jahresabschlüsse veröffentlich werden, die Beziehung zu Anlegern gepflegt werden und Hauptversammlungen organisiert werden. Mit anderen Worten: Ein Börsengang ist teuer.

Bisher waren Deutsche Unternehmen bei dem Weg auf das Parkett vor allem auf internationale Investoren angewiesen. Auch wenn durch große Börsengänge wie dem von Zalando & Co die Aufmerksamkeit internationaler Geldgeber auf deutsche Startups gelenkt wird, bleibt die Wachstumsfinanzierung von Jungunternehmen weiterhin ein Problem in Deutschland. Das beklagt auch Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel. In Deutschland stehe nicht genug Wagniskapital bereit. Zwar kündigte die Bundesregierung an, einen Wachstumsfonds in Höhe von 500 Millionen Euro zu schaffen, aber die Startup-Finanzierung in Deutschland kann nicht lediglich mit öffentlicher Hilfe bewältigt werden. „Auch im Silicon Valley geht es ohne Risiko nicht“, äußerte sich Bundeskanzlerin Merkel zu der Thematik.


Börsengänge in Deutschland sollen gefördert werden

Die Deutschen Anleger zeigten sich bisher eher wenig risikobereit auf dem Aktienmarkt. Laut dem Deutschen Aktieninstitut investieren lediglich 13,8 Prozent der Deutschen in Aktien. Dabei aber weniger in junge Unternehmen in der ersten Wachstumsphase, als vielmehr in Großunternehmen der Industrie wie in die Evonik AG, die 2013 einen erfolgreichen Börsenstart hinlegte. In Amerika besitzen dagegen rund 54 Prozent der Haushalte Aktien. Gingen in den USA im Jahr 2013 über 220 Tech-Unternehmen an die Börse, waren es in Deutschland gerade einmal sieben Firmen. Viele deutsche Jungunternehmen ziehen aufgrund der besseren Bedingungen einen Börsengang im Ausland, vor allem in den USA, dem deutschen Börsenparkett vor und wandern ab. Damit werde Deutschland als Wirtschaftsstandort geschwächt. Mit dem neuen Börsensegment will Gabriel den Finanzierungsvorteil junger Firmen in den USA aufholen. Um Startups noch gezielter helfen zu können, will Gabriel Startups die Verrechnung von Verlustvorträgen ermöglichen. So können Verluste aus vergangenen Wirtschaftsjahren auf die zukünftigen Jahre vorgetragen werden. Dass das bisher nicht möglich war, zählt als ein Grund dafür, dass in Deutschland zu wenig in Firmen in der ersten Wachstumsphase investiert wird.


Mögliche Kandidaten für einen Börsengang

Dennoch boomen Startups in Deutschland schon seit längerem. Täglich sprießen neue Geschäftsmodelle vor allem in der IT-Branche hervor und versuchen, auf dem globalen Markt zu bestehen. Die Ankündigungen Gabriels, dies kräftig zu unterstützen, werden wohl für einen noch stärkeren Ausbruch und anschließender Umsetzung von unternehmerischen Ideen sorgen. Laut CEO der German Startup Group Christoph Gerlinger eignen sich momentan rund 100 deutsche Jungunternehmen für einen Börsengang – unter anderem auch die Startups Wooga, Soundcloud oder ResearchGate.


Wooga – die Online-Spieleschmiede

Das Spielesoftwareunternehmen kommt aus Berlin und hat sich auf die Produktion von Online-Spielen innerhalb von Social Media Seiten und die Entwicklung von mobilen Spielen spezialisiert. Spiele wie beispielsweise Bubble Island oder Jelly Splash werden von dem Unternehmen kostenlos im Internet oder als App zur Verfügung gestellt. Wooga verdient erst, wenn ihre User sich Vorteile erkaufen, um im Spiel voranzukommen. Der Markt für Online-Spiele boomt derzeit und wächst stetig weiter. Wooga schaffte es, innerhalb weniger Jahre eine Spitzenposition in der Online-Spiele-Herstellung in Europa einzunehmen. Damit zählt Wooga zu einem der erfolgreichsten Startups Deutschlands. Laut eigenen Angaben sei ein Börsengang bisher nicht geplant.


Soundcloud – Musik online teilen

Auch das Unternehmen Soundcloud stammt aus der Startup-Hochburg Berlin. Genauer gesagt, handelt es sich bei Soundcloud um eine Plattform, auf der Musiker und DJs ihre Musik hochladen, die die Nutzer wiederum kostenlos anhören können. Laut eigenen Angaben nutzen diese Musikplattform 250 Millionen User monatlich. Derzeit konzentriere man sich aber mehr auf den Ausbau der Firma als auf einen möglichen Gang an die Börse.


ResearchGate – Social Networking für Forscher

Ebenfalls aus Berlin stammend stellt ResearchGate eine Plattform zur Verfügung, um Forscher aus aller Welt miteinander zu vernetzen. Hier werden Fachartikel hochgeladen, Forschungsfragen oder Probleme diskutiert sowie Forschungspartner oder Jobs gesucht. Ebenfalls in der Form einmalig: Es werden Rohdaten von gescheiterten Experimenten hochgeladen, um zukünftig Fehler in diesem Forschungsbereich zu verhindern. Mittlerweile sind über drei Millionen Forscher aus allen Teilen der Erde auf der Social-Networking-Seite registriert und treiben durch einen schnelleren Datenaustausch die Wissenschaft voran. Ob sich ResearchGate an die Börse wagt, ist noch ungewiss. Die Börse 2.0 könnte aber den Ausschlag für die hier vorgestellten Startups sowie für viele weitere Jungunternehmen mit innovativen Ideen, aber zu wenig Kapital, geben, ihre Aktien an der Börse listen zu lassen. Nicht nur die Beschaffung von Kapital würde durch das neue Börsensegment vereinfacht, auch die Startup-Szene im Generellen würde gefördert werden, um so Deutschland als Wirtschaftsstandort – vor allem auch die Digitalwirtschaft betreffend – zu stärken.

Bild: © 360b / Shutterstock.com


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