In der Industrie ist es gängige Praxis, neue Produktionsverfahren erst einmal im Kleinen zu testen. Als Werkstudent habe ich beispielsweise in der chemischen Industrie (Bakelite, Letmathe) in einem Betriebslabor daran gearbeitet, geeignete Zusammensetzungen für sogenannte Phenolharze im Kleinmaßstab zu ermitteln. Erfolgreiche Zusammensetzungen boten dann die Chance für die Übernahme in die Produktion.
Genau so müsste man eigentlich auch bei einem so komplexen Vorhaben wie der deutschen Energiewende vorgehen, die sich die sehr viel umfassendere Energiegewinnung aus Solar- und Windenergieanlagen zum Ziel gesetzt hat. Bei Nacht, bewölktem Himmel und Windstille (Flautezeiten) entstehen eben deutlich geringere – oder auch keine - Energieerträge und die Energienachfrage hat einen grundlegend anderen Verlauf.
Man muss also geeignete Verfahren der Zwischenspeicherung von Energie finden. Das Modell >El Hierro< kann hier als durchaus aussagekräftiger Versuch angesehen werden. Auf der Insel im Atlantik mit einem erloschenen Vulkan wurden mehrere Solar- und Windkraftanlagen errichtet. Der Vulkankegel wurde zu einem riesigen Pumpspeicher mit erheblichem Volumen ausgebaut. Er sollte die nicht benötigte Energie aus wind- und sonnenreichen Zeiten für Flautezeiten zwischenspeichern.
Das Füllen des Speichers ist naturgemäß mit Energieverlusten verbunden. Vereinfachend soll hierbei ein Wirkungsgrad von 70% angenommen werden. Beim Entleeren des Speichers nehmen wir ebenfalls einen Wirkungsgrad von 70% an. Damit ergibt sich ein Gesamtwirkungsgrad von 49%. (0,7 * 0,7 = 0,49). Für den Energiebedarf eines Flautentages muss also der Energieüberschuss von zwei Tagen vorher zwischengespeichert worden sein, um die Verbraucher von El Hierro ordnungsgemäß mit Energie zu versorgen. Das lokale Aufkommen an erneuerbarer Energie reichte jedenfalls nicht aus, um die Insel mit stabiler Energie zu versorgen. Zusätzliche Probleme an den Turbinen wegen Korrosion durch salziges Meerwasser werden hier nicht weiter diskutiert.
Bei den deutschen Energiewende-Verantwortlichen und der Öffentlichkeit hätten also spätestens nach Bekanntwerden des El-Hierro-Scheiterns eigentlich alle Signallampen angehen müssen. Der deutsche Energiemarkt hat nicht nur ein sehr viel größeres Volumen, mit mehreren bislang(!) noch leistungsfähigen Anbietern und – ganz wesentlich – mit gut funktionierenden Übertragungsnetzen (Stabilität der Frequenzen!) zur problemlosen Verteilung der Energie an die dezentral organisierten Energiever-braucher.
Die deutsche Energiewende ist also ein vielfach vergrößertes >El-Hierro<-Problem.
1. Die deutschen Stauseen dienen vor allem der Stabilität der Wasserführung in unterhalb liegenden Gewässern. Am Ende des Sommers kann man den Edersee zu Fuß durchqueren. Es gibt also keine ernsthaft zu diskutierenden Möglichkeiten für den Einsatz von Pumpspeichern in Deutschland.
2. Solar- und Windenergielagen sind weit über das Land verstreut. Das traditionell auf >Verteilung< angelegte deutsche Stromnetz muss nun eine zweite ungewohnte Funktion übernehmen: die Sammlung und Bündelung von Energie. Dabei treten äußerst schwierig zu lösende Probleme bei der Frequenzabstimmung und Netzstabilität (Blackout-Gefahr) auf.
3. Die von der Energiepolitik verfügte Vorrangeinspeisung von Ökostrom richtet erhebliche betriebswirtschaftliche Schäden bei den traditionellen Energieanbietern an. Der Teil der Energierechnungen, der von Verbrauchern über Steuern/Umlagen (und nicht über den Markt) direkt gezahlt werden muss, ist dem Marktmechanismus entzogen. Die auf Strombörsen entstehenden – oft sogar negativen – Preise ruinieren normale betriebs-wirtschaftliche Kalkulationen.
4. Bei der traditionellen Energiewirtschaft werden Anstrengungen bei Instandhaltung- und Erneuerungsinvestitionen zwangsläufig unterlassen. Das wiederum führt zwangsläufig zu immer größer werdenden Engpässen der nationalen Energieversorgung. Der ökonomische Untergang der DDR hatte übrigens die gleiche Ursache.
5. Die traditionellen Energieversorger kommen zusätzlich durch Anti-Kernkraft- und Dekarbonisierungs-Kampagnen unter Druck.
Die ökonomischen Folgen des DDR-Untergangs sind nach 25 Jahren wohl halbwegs überwunden. Die Energiewende wird allerdings ein sehr viel größeres Desaster zur Folge haben.