Online-Dienste für Raubkopien haftbar

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Online-Dienste für Raubkopien haftbar

 
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HANDELSBLATT, Mittwoch, 12. April 2000

Reuters BERLIN. Online-Dienste müssen nach einem Grundsatzurteil
Schadenersatz leisten, wenn ihre Mitglieder Raubkopien von Musikstücken
anbieten. Das geht aus einem am Mittwoch bekannt gewordenen Urteil des
Landgerichts München I hervor, das die Karlsruher Firma HitBit Software gegen
AOL Deutschland erstritten hat. AOL reagierte mit scharfer Kritik auf die Reuters
vorliegende Urteilsbegründung: "Wenn das Urteil Bestand hat, können wir den
Laden dichtmachen", sagte AOL-Sprecher Frank Sarfeld. Die
Verwertungsgesellschaft GEMA begrüßte dagegen die Entscheidung des Gerichts.

Über die Höhe des Schadenersatzes wird noch prozessiert. Das Landgericht hatte
in seinem Urteil vom 1. März erklärt, dass Online-Dienste für von ihren Mitgliedern
angebotene Raubkopien haften (Az: 7 O 3625/98). AOL Deutschland hatte in einem
so genannten Forum Musikdateien zum Herunterladen bereitgehalten, die von HitBit
komponiert worden waren. Die AOL-Mitglieder konnten in dem Forum eigene
Dateien allen anderen Mitgliedern zur Verfügung stellen. Die auf Computerdisketten
gespeicherten Instrumentalversionen von Liedern, die oft von Alleinunterhaltern
benutzt werden, kosten sonst 18 bis 35 Mark. Nachdem AOL auf eine
Unterlassungserklärung nicht reagiert hatte, verklagte HitBit den Online-Dienst
1998 auf Unterlassung und Schadenersatz von 100 000 DM. Daraufhin löschte AOL
die betreffenden drei Musiktitel aus dem Forum.

AOL könne nicht jede Handlung seiner Mitglieder kontrollieren, sagte der Sprecher
des Unternehmens. AOL lehne jede Haftung ab, da die betreffenden Dateien im
Einklang mit dem Informations- und Kommunikationsdienste-Gesetz "sofort nach

Bekanntwerden" gelöscht worden seien. Da die Urteilsbegründung AOL noch nicht
vorliege, müssten die Juristen eine Berufung aber noch prüfen.

Mit dem Münchner Urteil habe erstmals ein Gericht in Deutschland die Haftung von
Online-Diensten bei Musikpiraterie festgestellt, sagte GEMA-Sprecher,
Hans-Herwig Geyer, auf der Musikmesse in Frankfurt. "Es ist ein musterhaftes
Urteil, weil es festlegt, dass jede Musiknutzung im Netz vergütet werden muss."
Von einem "Meilenstein für alle, die urheberrechtlich geschützte Werke wie Musik,
Filme oder Texte herstellen", sprach der Münchner Rechtsanwalt von HitBit, Stefan
Ventroni.

Der deutschen Musikindustrie entstehen nach GEMA-Schätzungen durch
Raubkopien im Internet pro Jahr Schäden in dreistelliger Millionenhöhe. Viele
Internet-Anbieter wüssten nicht, dass sie für die Veröffentlichung von Musik im
Netz Urheber-Gebühren zahlen müssten, sagte GEMA-Vorstand Jürgen Becker.
Musik sei jedoch urheberrechtlich geschützt, egal, ob sie in der Kneipe, im
Rundfunk oder im Internet abgespielt werde. Das Urteil mache es der GEMA nun
leichter, Internet-Anbieter davon zu überzeugen.

Das Problem werde sich vermutlich nicht durch Gesetze lösen lassen, sondern nur
durch Technik, die das Kopieren und Herunterladen von Musik aus dem weltweiten
Datennetz unmöglich mache, erklärte Becker. Die Gesellschaft für musikalische
Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte (GEMA) erhebt für 55 000
deutsche Textautoren, Komponisten und Musikverleger Gebühren auf die
Verwertung von Musikstücken.


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