Die Skeptiker hier haben natürlich recht, dass Hypoport sehr sportlich bewertet ist mit einem KGV>25.
Normalerweise birgt eine solche Bewertung ein nicht unerhebliches Risikopotenzial. Das sehe ich hier aber nicht im gleichen Maße wie bei anderen Aktien, insbesondere im Vergleich mit dem typischen MDAX oder TecDAX-Unternehmen mit KGV 25:
- HYP: Blitzsaubere Bilanz mit Net Cash und erheblichem Spielraum für Zukäufe und Ausschüttungen. MDAX: Meist erheblich verschuldet, so dass der EV oft erschreckend hoch ist.
- HYP: Selbsttragendes Fundament mit hohem Cashflow im Kerngeschäft, das strukturelle Wachstumsfaktoren und hohen Eintrittsbarrieren aufweist. MDAX: Meist pro-zyklische deutsche Wertarbeit mit ernstzunehmender Konkurrenz aus Asien.
Aufgrund der zahlreichen Sonderfaktoren, die Hypoports Geschäft kurzfristig beeinflussen, ist es nicht immer ganz leicht, eine normalisierte EPS-Basis für die Bewertung zu bestimmen. In meinen Augen ist das EPS dieses Jahres eine halbwegs akzeptable Basis zur Anwendung von Multiples. Aber da mögen andere eine andere Meinung haben (in beide Richtungen). Unabhängig von der Basis erscheint mir jedoch jedenfalls, dass das Risiko eher gering ist, dass Hypoport *nicht* mehr strukturell weiterwachsen könnte.
Ob HYP jetzt schnell die 100-120 EUR sieht, weiß ich nicht. Vielleicht gehen sie auch nochmal auf 70 runter. Und wenn die Zinserhöhungsdiskussion auch in Europa mehr Fahrt aufnimmt, könnte es ggfs. vielleicht sogar nochmal auf 60 EUR gehen. Keine Aghnung. Aber ich habe hier jedenfalls auch von den Kritikern noch nie ein stichhaltiges Argument gehört, dass das strukturelle Wachstum in den nächsten Jahren in Frage stellt. Und dann ist das mittelfristige Risiko--auch bei KGVs von 25--in meinen Augen eher beschränkt.
Und umgekehrt gibt es sicher genügend potenzielle Faktoren, die kurzfristig auch als Trigger taugen könnten. Nur mal als potenzielle Beispiele (ohne zu behaupten, dass das so kommen wird):
- RS gibt im Call eine optimistische Sicht der langfristigen Wachstumsaussichten
- Der Antrag der Länder auf Entschärfung der WIKR geht im Bunderat durch
- Draghi beendet die momentane Makro-Sorge, dass die Zinsen auch in Europa wieder erheblich steigen werden
- Das Q4 Wachstum ist stark und HYP erklärt, dass man jetzt in das Post-WIKR Normalwachstum einsteigt
Hypoport ist sicher nicht mehr die Performance-Maschine, die es 2015 mal war. Das war ein einmaliger Ritt. Ich hoffe persönlich aber durchaus, dass Hypoport auch auf Sicht von einem Jahr merklich den Markt schlagen kann. Aber vor allem fällt es mir schwer zu sehen, dass Hypoport auf Sicht von 5 Jahren viel schlechter als der DAX abschneiden würde.
Mal ein Rechenbeispiel: Betrachten wir ein hypothetisches Unternehmen über fünf Jahre und machen folgende Annahmen:
- Das EPS wächst organisch um 12% pro Jahr in Jahr 1-5
- Im Abschlussjahr 5 der Betrachtung erhält das Unternehmen ein Terminal-KGV von 18
- EPS = Cash Flow und wird ausgeschüttet oder zur gleichen Kapitalrendite reinvestiert. Das nötige Unternehmenswachstum wäre bei Reinvestition dann in etwa folgendes: Gesamtwachstum = organisches Wachstum von 12% plus anorganisches Wachstum von ca. 5% = 17% pro Jahr. Ausschüttungen gäbe es in letzterem Fall keine.
- Zukünftige Erträge werden mit einer Marktrendite von 8% abgezinst.
Dieses fiktive Unternehmen hat, wenn man den Barwert ausrechnet, ein faires KGV von exakt 26,6. Da sind wir jetzt mit Hypoport recht genau, wenn man ein EPS von 3 EUR für 2016 annimmt.
Jetzt kann man im Vergleich zu diesem fiktiven Unternehmen schauen, wo Hypoport da steht und die Annahmen in Bezug auf Hypoport hinterfragen. In meinen Augen ist das alles für Hypoport recht gut schaffbar und bietet einige Upside. Sind 12% organisches Wachstum für 5 Jahre so unwahrscheinlich. Sind 5% anorganisches Wachstum pro Jahr so unwahrscheinlich (bzw., bei geringerem anorganischen Wachstum, eine entsprechende Dividende)? Wäre ein KGV von 18 in fünf Jahren im Erwartungswert so überzogen--gegeben dass Hypoport auch nach Jahr 5 noch ein echtes Wachstumsunternehmen sein könnte? Und im übrigen ist bei der ganzen Berechnung der Spielraum für Kreditaufnahme noch gar nicht berücksichtigt, was das EPS weiter treiben würde.
Kurz: auch wenn ich die Kritikpunkte des hohen KGV sehe und ernst nehme, bin ich doch optimistisch für Hypoport.