FRANKFURT (Dow Jones)--Europas größter Photovoltaikhersteller Solarworld hat vor einem amerikanischen Bundesgericht eine gefährliche Niederlage erlitten. Nach der am Mittwoch gefällten Entscheidung kann sich das deutsche Unternehmen gegen eine Klage auf bis zu 800 Millionen US-Dollar nicht mit dem europäischen Kartellrecht verteidigen. In dem von dem US-Siliziumproduzenten Hemlock Semiconductor angestrengten Prozess hat Solarworld deshalb womöglich sein schlagkräftigstes Argument verloren. Zwar gibt sich der Konzern von Solarpionier Frank Asbeck nicht geschlagen. Doch verliert das Unternehmen den amerikanischen Rechtsstreit, läuft es Gefahr, Insolvenz anmelden zu müssen.
In dem US-Prozess fordert Hemlock von Solarworld die Erfüllung von vier Abnahmeverträgen. In den Vereinbarungen aus den Jahren 2005 bis 2010 hatte der deutsche Solarhersteller zugesagt, von den Amerikanern bis zum Ende des Jahres 2019 insgesamt rund 24.000 Tonnen Silizium zu kaufen. Seit Ende März 2012 nahm Solarworld Gerichtsunterlagen zufolge aber kein Silizium von Hemlock mehr ab. Zwischenzeitlich war die Nachfrage nach Solarzellen eingebrochen.
Hemlock besteht gleichwohl auf der Umsetzung der Verträge. Das Unternehmen fordert nach Angaben aus Solarworlds Geschäftsberichten seit dem Jahr 2013 rund 676 Millionen Dollar von dem deutschen Kunden. Durch Zinsen hat sich die Forderung mittlerweile auf einen Betrag zwischen 700 und 800 Millionen Dollar erhöht, wie ein Hemlock-Sprecher auf Anfrage von Dow Jones Newswires sagte.
Solarworld wehrt sich allerdings gegen die vor einem US-Bundesbezirksgericht in Michigan geltend gemachten Ansprüche. In seinem jüngsten Quartalsbericht schreibt das Unternehmen dazu, die Siliziumverträge verstießen nach Auffassung des Konzerns gegen europäisches Kartellrecht. Dies führe "zur Nichtigkeit der Abnahmeverpflichtungen". So argumentierten vor Gericht auch die Anwälte Solarworlds.
Der zuständige Richter aber hat dies nun vom Tisch genommen. Schon im Frühjahr hatte er eine erste Entscheidung gefällt, nach der sich Solarworld in dem laufenden US-Prozess nicht länger mit dem europäischen Kartellrecht verteidigen darf. Gegen den Beschluss setzte sich Solarworld mit langen Stellungnahmen zur Wehr. Mit der Entscheidung von Mittwoch aber hat der Richter seinen früheren Beschluss bestätigt. Er hält es nicht für eindeutig geklärt, dass die Abnahmeverpflichtung gegen europäisches Recht verstößt. Für den weiteren Prozessverlauf hat er deshalb Solarworlds Kartellargumente gestrichen.
Damit sei die Wahrscheinlichkeit, dass Solarworld die Forderung aus den USA begleichen müsse, weiter gestiegen, sagte der deutsche Corporate-Governance-Experte Christian Strenger. Er hatte den Solarworld-Verantwortlichen um Konzernchef Asbeck schon bei der Hauptversammlung im Mai vorgeworfen, "mit wenig überzeugenden Argumenten keinerlei Rückstellungen" für die Forderung gebildet zu haben. Tatsächlich hält Solarworld laut dem jüngsten Quartalsbericht eine entsprechende Risikovorsorge nicht für nötig, wenngleich das Unternehmen selbst darauf hinweist, dass es "erhebliche negative Auswirkungen auf die Liquiditätslage der Gesellschaft" hätte, wenn Solarworld in dem Rechtsstreit unterliegen sollte. Dies gehe "bis hin zur Bestandsgefährdung".
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