Ich will nicht sagen, dass da nun gar nichts dran ist, aber so wie Du es schreibst halte ich das leider nicht für zutreffend, denn:
1. Was in solchen Threads geschrieben wird, ist nicht unbedingt stellvertretend für die allgemein vorherrschende Meinung und das Sentiment.
2. Ausserdem überschätzt Du glaube ich auch die Wirkung solcher Threads auf das Sentiment.
Vor jeder mir bekannten Krise hat es genügend anerkannte Ökonomen und Investoren gegeben, die frühzeitig davor gewarnt haben, ohne dass es ihnen gelungen wäre, der Bildung von Übertreibungen und Fehlallokationen entgegen zu wirken.
Vor der Krise 2008 waren das z.B. Nouriel Roubini, Robert Schiller, Kenneth Rogoff, Richard Russel, Dean Baker, Med Jones, Peter Schiff, Max Otte, um nur einige zu nennen.
Wenn selbst fundierte kritische Beiträge von Spitzenökonomen nicht dazu beitragen konnten, dass System zu stabilisieren, wäre es naiv davon auszugehen, dass der Bärenthread eine solche Wirkung entfalten könnte.
3. Ich bin mir auch nicht sicher, ob Du die wirkungsweise des Sentiments auf die Preisentwicklung so ganz richtig verstehst, wenn Du schreibst, dass ein Bullenmarkt psychologisch ohne kritische Stimmen gar nicht denkbar sei.
Ein Bullenmarkt entsteht immer in einem Bärenmarkt undzwar nicht wegen der bärischen Stimmung sondern trotzdem. Voraussetzung dafür ist, dass sich die mittelfristige Markterwartung und Wertwahrnehmung verbessert. Sowas entsteht sicherlich nicht durch Bärenthreads.
Des weiteren kann dies durch eine vorangegangene negative Übertreibung (Panik) begünstigt oder hervorgerufen werden. Insofern könnten Bärenthreads die Entstehung eines Bullenmarktes begünstigen, allerdings nur, wenn sie Ausdruck der allgemeinen Panik wären.
Wenn der Bullenmarkt fortschreitet kann es irgendwann zu einer gefährlichen Overconfidence kommen, die über kurz oder lang zu Fehlbewertungen und - allokationen führen würde - kurz: zu Marktblasen, die irgendwann platzen und in den nächsten Bärenmarkt führen.
Deine Idee ist glaube ich nun, dass negative Meinungen in Foren dazu führen würden, die Entstehung solcher Overconfidence zu verhindern.
Wenn dies gelänge würde das System zwar, wie Du richtig schreibst, dadurch stabilisiert, allerdings eben dadurch, die Übertreibung im Bullenmarkt - und somit den Bullenmarkt selbst - zu bremsen und nicht etwa zu beschleunigen!
Gelänge dies nicht, bedeutete dies im Umkehrschluss auch nicht etwa, dass der Bullenmarkt damit vorbei wäre, er würde erstmal sogar dynamischer weiterlaufen und überhitzen. Übertreibungen können dabei mitunter sogar sehr lange gehen (siehe US-Immobilienmarkt vor 2007)
Natürlich beinhaltet jede Übertreibung eine erhöhte Gefahr einer Korrektur - trotzdem wäre es aber falsch zu behaupten, dass die Marktphase bereits durch die Übertreibung beendet würde.
Des weiteren steigt erst in extremen Bereichen des Sentiments die Gefahr einer dadurch bedingten Trendumkehr. Dazwischen haben die Werte eher eine prozyklische Bedeutung.
Aber wie gesagt bezweifle ich schon, dass das Sentiment überhaupt maßgeblich durch solche Threads beeinflusst wird.
Bei all der ganzen Theorie darf man dann nebenbei auch den Kontext nicht ganz vergessen.
Wir erleben den stärksten Jahresauftakt, den der Deutsche Aktienindex in seiner Geschichte hingelegt hat, und das ausgerechnet inmitten einer Zeit, in der Schuldenschnitte in Europa getätigt werden, Europäische Staaten reihenweise herabgestuft werden, Rettungspakete geschnürt werden, der Interbankenhandel zum erliegen kommt, und die meisten europäischen Staaten augenscheinlich in eine Rezession und manche sogar in eine ausgewachsene Depression geraten. Wir stecken inmitten einer liquiditätsgetriebenen Katastrophenhausse (Crack-Up-Boom) - und Du bedankst Dich bei Al, dass er durch seine kritischen Beiträge zur Verbesserung der Systemstabilität beiträgt?
No offence - aber ich find's irgendwie schräg