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FTD
Angst um Finanzsektor
Aufseher schelten Risikolust der Banken
Der US-Leitzins ist bei null, die Banken verdienen prächtig. Doch was passiert mit den Banken, wenn die Zinsen steigen? Das Financial Stability Board warnt Banken und Investoren vor Leichtsinn - und bezeichnet das Finanzsystem als "verwundbar".
von Tobias Bayer Frankfurt und Mark Schrörs Frankfurt
Das Aufsichtsgremium Financial Stability Board (FSB) hält das Finanzsystem nach wie vor für "verwundbar" - und fordert Banken und Investoren zur Vorsicht auf. "Es stimmt, dass die Banken Kapital aufgenommen haben, und sich ihre Liquidität und Refinanzierung verbessert hat. Aber dennoch bleibt eine nicht zu unterschätzende Verwundbarkeit", sagte Mario Draghi, Gouverneur der italienischen Zentralbank und Vorsitzender des FSB, am Samstagabend. Im FSB sind Zentralbanken, Aufsichtsbehörden und Finanzministerien vertreten.
Weltweit schlagen Aufsehr Alarm. Sie sorgen sich, dass Banken infolge der niedrigen Zinsen und der reichlich bereitgestellten Liquidität zu große Risiken eingehen und Rückschläge erleiden, wenn die Sätze wieder steigen. Die Frage, wann Regierungen und Notenbanken aus Staatshilfen und der lockeren Geldpolitik aussteigen, stellt sich angesichts der wirtschaftlichen Erholung immer dringlicher.
Die Banken gingen wieder ins Risiko, sagte FSB-Vorsitzender Draghi. Dabei sollten sie sich die Verwundbarkeiten des Systems bewusst machen. Die Welt nach der Krise sei trotz großer Verbesserung nicht so stabil, wie Marktteilnehmer glaubten, sagte Draghi. Damit bezog er sich auf den Optimismus an der Börse. Der S&P 500 legte seit März 2008 um knapp 70 Prozent zu.
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Die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in Basel bestellte Zentralbanker und Bankenvertreter ab dem Wochenende nach Basel ein, um über die Gefahren der Rückkehr "exzessiver Risikobereitschaft" zu diskutieren. Der Wortlaut geht aus einem Einladungsschreiben der BIZ hervor. Das FSB hat sein Sekretariat bei der BIS.
Niedrige Refinanzierungskosten zusammen mit einer steilen Zinsstrukturkurve könnten einige Marktteilnehmer "anfällig für künftige Leitzinserhöhungen machen", heißt es in dem Schreiben. Die BIZ - eine Art Dachorganisation der Zentralbanken - erinnert dabei daran, wie 1994 der Ausstieg der US-Notenbank Fed aus einer längeren Phase niedriger Leitzinsen zu Turbulenzen an den Anleihemärkten führte.
Auch Bundesbankchef Axel Weber warnte die Banken in den vergangenen Wochen wiederholt davor, wie in früheren Phasen niedriger Leitzinsen zu hohe Risiken einzugehen. Banken müssten in einer solchen Phase ihre Renditeerwartungen anpassen, sagte Weber etwa beim Europäischen Bankenkongress Ende des Jahres in Frankfurt.
Fed und US-Behörden verlangen Zins-Stresstests
Die US-Finanzaufsichtsbehörden sind alarmiert - und wiesen die Banken und Bank-Holdinggesellschaften vor dem Risiko steigender Leitzinsen explizit hin. Die Aufseher erinnerten die Institute an die gesetzlich notwendigen Vorkehrungen gegen Zinsrisiken und forderten sie deshalb auf, unter anderem Stresstests durchzuführen. Durchgerechnet werden sollten Zinsanstiege von bis zu 400 Basispunkten, hieß es in der am Donnerstagabend veröffentlichten elfseitigen Mitteilung.
Gezeichnet wurde sie von der US-Notenbank Federal Reserve, der Einlagensicherung FDIC, dem Office of the Comptroller of the Currency, der National Credit Union Administration und dem Office for Thrift Supervision. Sie sind im Federal Financial Institutions Examination Council vertreten, das das Vorgehen landesweit abstimmen soll.
Zinserhöhungen würde die Ertragskraft der Banken schmälern und womöglich zusätzliches Kapital erforderlich machen. "Die Mitteilung der Aufseher ist eine Erinnerung, dass die Quelle der Bankgewinne nicht für immer sprudeln wird", sagte Vince Reinhart, ehemaliger Fed-Mitarbeiter und Experte am American Enterprise Institute. "Größere Zinsschwankungen sind möglich. Es geht dabei nicht nur um die Fed, sondern auch um die Reaktionen des Marktes auf das, was die Fed tun könnte", sagte Reinhart.
Der amerikanische Bankensektor ist höchst heterogen. Während große Wall-Street-Häuser wie Goldman Sachs oder JP Morgan Chase die Staatshilfen bereits zurückgezahlt haben und als ausreichend kapitalisiert gelten, ächzen insbesondere Regionalbanken unter den Folgen der Krise. Kleinere Institute sind überpropertional in der Kreditvergabe an den Bausektor und bei gewerblichen Immobilienkrediten engagiert. Zudem investierten einige von ihnen in riskante Wertpapiere wie Collateralized Debt Obligations (CDOs).
Mit im Fokus stehen Bausparkassen. Sie leben von der Zinsmarge und würden durch steigende Zinsen getroffen. "Bausparkassen leben und sterben durch die Zinsmarge", sagte Kevin Petrasic, ehemaliger Mitarbeiter bei der zuständigen Aufsicht Office of Thrift Supervision. Petrasic ist Anwalt bei der Kanzlei Paul Hastings. Die Gefahr trat in der jüngsten Vergangenheit klar zu Tage: 2009 gab es 140 Bankenpleiten, so viel wie seit 1992 nicht mehr.
In den USA wird der Ruf nach höheren Leitzinsen lauter. Die Wirtschaft erholt sich.[d.h. Die Erholungslüge schlägt auf die Urheber zurück - A.L.] Volkswirte gehen davon aus, dass die Rezession im Dezember 2007 anfing und im vergangenen Sommer endete. Für das vierte Quartal 2009 wird ein Anstieg des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von auf das Jahr hochgerechnet vier Prozent nicht ausgeschlossen. Dementsprechend stellt sich die Frage, wann die Fed den Leitzins von derzeit 0 bis 0,25 Prozent anhebt.
Innerhalb der Fed wird die Geldpolitik kontrovers diskutiert. Thomas Hoenig, Präsident der Distriktnotenbank Kansas City, sprach sich am Donnerstag dafür aus, dass sich die Notenbank mit einer Zinserhöhung nicht allzu viel Zeit lässt. Ansonsten säe sie die Samen für die nächste Krise, sagte Hoenig. Die US-Wirtschaft scheine sich in der Frühphase einer Erholung zu befinden, die Lage auf dem Arbeitsmarkt habe begonnen, sich zu stabilisieren und auch der Häusermarkt zeige Anzeichen einer Erholung. Eine gewisse Unsicherheit bleibe zwar. Die Beibehaltung der rekordniedrigen Zinsen für einen längeren Zeitraum berge aber unter anderem die Gefahr einer langanhaltenden, höheren Inflation und einer höheren Arbeitslosigkeit - nicht heute, aber vielleicht mittel- oder langfristig, sagte Hoenig.
Hoenigs Ansichten geben indes keineswegs zwingend die Mehrheitsmeinung wider. Aus dem Protokoll der Dezember-Sitzung der Fed geht hervor, dass einige Fed-Vertreter selbst eine Ausweitung der Hilfen für die Wirtschaft nicht ausschließen. Auf dem Treffen sagten einige Notenbanker, dass es bei einer Verschlechterung der Lage womöglich "wünschenswert" wäre, die Wertpapierkäufe auszuweiten.
Besorgt zeigen sich die Skeptiker vor allem, dass es zu neuerlichen Problemen am US-Häuser- und Hypothekenmarkt und damit zu einem Rückschlag für die Wirtschaft kommen könnte, sofern die Fed ihre Hilfen beendet und auch die Regierung sich zurückzieht. Die Fed will für insgesamt 1425 Mrd. $ mit Hypotheken besicherte Anleihen kaufen. Nach derzeitigem Stand läuft das Programm aber Ende März aus.
DAS DILEMMA
Die Fed bzw. die US-Regierung befinden sich in der schwierigen Lage, eine Erholung "herbeibehauptet" (Statistik-Tricks, Medien-Zinnober) und "herbeigezockt" zu haben. Steigende Kurse sollten im Sinne von "Behavioral Finance" eine reale Erholung suggerieren. Real wäre die Erholung aber nur, wenn ernsthafte Marktteilnehmer und nicht nur Zockerbanken (mit Zentralbankknete) und trendreitende Hedgefonds sämtliche Assets hochgekauft hätten. So wackelt lediglich der Schwanz mit dem Hund.
Die "Stimmungsnummer" hat trotzdem funktioniert. Denn Charts lügen ja bekanntlich nie. Der Markt glaubt nun hedonistisch, die Erholung sei real - und fordert entsprechend höhere Zinsen. Höhere Zinsen aber würgen die Scheinerholung vollends ab.
So reiten Fed und Regierung auf dem schmalen Grat, dass "die Erholung zwar erfreulich verläuft", aber "ein Rückfall in die Rezession noch immer nicht ausgeschlossen" werden kann. Daher müsse man die Zinsen noch längere Zeit bei Null lassen. Unterdessen steigen die Aktienkurse - von der Nullzins-Liquidität getrieben - wie besenkt höher und machen diese Schutzbehauptung immer brüchiger.
A.L.
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