Ich finde das Thema Finanzkrise auch deshalb so interessant, weil diese Krise gleich noch eine ganze Reihe weiterer interessanter Einzelaspekte ans Tageslicht befördert, die an und für sich nichts mit der Finanzkrise zu tun haben.
Derzeit wird die Absatzkrise in der Automobilindustrie immer nur in einem Atemzug mit der Bankenkrise genannt. Die eine Krise hat m. E. jedoch nichts mit der anderen Krise zu tun bzw. die Finanzkrise ist nur ein kleines Rädchen in der Krise der Automobilindustrie. Aber wie in einem Uhrwerk reicht das Problem mit nur einem kleinen Rädchen aus, um die ganz Uhr zum stehen zu kriegen.
Die Probleme in der Autoindustrie sind eigengemachte Probleme und dies seit vielen Jahren. Grundsätzlich ist sind diese Probleme auch ein „Blasenproblem“ (Produktionsblase)
1) Die Produktionsblase
Im Januar 2009 standen weltweit 20 Millionen Autos auf Halde. Weitere 7 Millionen werden in 2009 dazukommen (wohl infolge der Finanzkrisee), so dass es dann schätzungsweise 27 Mio. werden.
Und das Problem verfolgt uns schon seit Jahren, ohne dass je Vernunft eingekehrt war: 2005: weltweite Überkapazität 16 Mio. Autos; 2000: weltweite Überkapazität 18 Mio. Autos.
Die Autoindustrie sitzt also wohl seit mehr als einem Jahrzehnt auf weltweiten Überbeständen von 15 – 20 Millionen Autos und scheint da nicht mehr runter kommen zu können.
2) was waren die bisherigen Lösungen der Automobilbranche?
Die dargestellten Zahlen machen deutlich, dass nie eine Lösung i. S. des Abbaus der Überkapazitäten versucht wurde. Evtl. hatte man gehofft, diese Überkapazitäten in China und den anderen Emerging Markets Asiens und Süd-Ost- Europas loszuwerden. Aber bislang ging diese Kalkulation nicht auf.
Vielmehr bediente man sich ausschließlich des ganzen zur Verfügung stehenden marhetingpolitischen Absatzinstrumentariums, um das „Zeug“ an den Mann / die Frau zu bringen:
- zunehmende Modelldifferenzierung
- ausgefeilte Zusatz - Dienstleistungen / Serviceleistungen im Zusammenhang mit dem Auto
- Verkaufsbeschleuniger durch vielfältige Finanzierungsangebote: Leasing, Kredite usw. Sparte man früher auf ein Auto, so bestreitet man heute auch den Anschaffungswert aus den laufenden Ausgaben (Leasing- oder Kreditraten). 2 von 3 Autos auf den Straßen sind geleast oder auf Pump finanziert. In vielen Fällen liegt dabei der Sollzins für den Autokredit gar unter dem Habenzins für gut angelegtes Kapital.
- Drastische Verkürzung des Produktlebenszyklus im Automobilsektor. Das mit den 7 Jahren das mag früher mal gewesen sein. Heute hat sich der Produktlebenszyklus bei den Autos an den der Computer angepasst. Spätestens nach 3 Jahren gilt ein Modell als veraltet und wenn man gesellschaftlich mithalten will, kommt man nicht umhin, seinen alten „Schlitten“ abzugeben und durch einen neuen zu ersetzen.
3) Finanzkrise und Eigenkapitalproblem der Autohersteller
Jeder der sich mit Bilanzierung etwas auskennt, weiß dass man Erzeugnisse, die sich als nicht verkaufsfähig erweisen abzuwerten sind. Im Zweifelsfalle auf „Null“.
Leider hat nun die Finanzkrise der Verkaufsfähigkeit dieser Überbestände an Autos weltweit mächtig zugesetzt. Autos lassen sich nicht mehr so einfach per Kreditkarte kaufen, die Banken schauen stärker auf die Bonität der Käufer, vermutlich hat auch die Verschuldungsneigung der Bevölkerung in den USA, Westeuropa und Japan deutlich abgenommen.
Man kann sich das gewaltige Abschreibungspotenzial ausrechnen, das derzeit auf den Automobilherstellern weltweit lastet. Die Stückosten eines PKW mögen durchschnittlich bei 10.000 € - 15.000 € liegen (frei geschätzt), so dass sich weltweit ein Abschreibungspotenzial von derzeit
§10.000 € / 15.000€ x 20 Mio. Autos = 200 - 300 Mrd. €.
ergibt.
Das hat nicht ganz die Dimension des Abschreibungspotenzials wie die Banken bezüglich ihrer toxischen Produkte, erklärt aber mit die Milliardenverluste und den Milliardenkapitalbedarf diverser Autohersteller.