Gesundheit und Volkswirtschaft:

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Gesundheit und Volkswirtschaft: Absauger

Gesundheit und Volkswirtschaft:

 
#1
Gesundheit und Volkswirtschaft: Angst- und Panikstörungen
"Gipfel der Verschwendung"
Angst kostet der deutschen Volkswirtschaft über 100 Milliarden DM jährlich
VON DIETMAR G. LUCHMANN

Buchbesprechung
Winfried Panse & Wolfgang Stegmann: Kostenfaktor Angst. Wie Ängste in Unternehmen entstehen. Landsberg: Verlag Moderne Industrie, 1998. 285 S.

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Das Buch - in dritter Auflage - schildert einen Zustand, den jeder kennt und vor dem gleichwohl fast jeder - mit teuren Folgen - die Augen verschließt. Denn fast jeder Beschäftigte leidet am Arbeitsplatz unter Ängsten. Bis zu 90 Prozent der Mitarbeiter, quer durch alle Hierarchie-Ebenen, sind davon betroffen, offenbarte eine Langzeitstudie an der Fachhochschule Köln.

Den gigantischen volkswirtschaftlichen Schaden schätzen Arbeitspsychologen auf jährlich mehr als 100 Milliarden Mark. Besonders die Angst vor Autoritätsverlust, Innovationen und Fehlinformationen ist in den vergangenen vier Jahren deutlich gestiegen.

Die Angst gehört demnach umso häufiger zum Arbeitsalltag, je mehr sich das Unternehmen in turbulentem Fahrwasser befindet und Umstrukturierungsmaßnahmen oder sogar der Verkauf der Firma drohen. Aber auch Frustrationen oder die Forderung nach mehr Leistung seien Angstfaktoren. Gesprochen werde darüber jedoch selten. Stattdessen werde vor allem in Managerkreisen zu Alkohol, Schlaf- oder Beruhigungstabletten gegriffen.

Winfried Panse, Diplom-Kaufmann, Soziologe sowie Inhaber des Lehrstuhls für Betriebswirtschaftslehre und Personalwesen an der FH Köln, und Wolfgang Stegmann, Diplom-Betriebswirt und Lehrbeauftragter, haben in ihrer Studie "Kostenfaktor Angst" in sehr lesbarer und verständlicher Form, frei von wissenschaftlicher Überfrachtung, eine erschütternde Rechnung der durch Angst verursachten jährlichen Kosten aufgemacht: 16 Milliarden DM Fluktuationskosten, 68 Milliarden DM durch innere Kündigung, 19 Milliarden DM durch angstbedingten Medikamentenkonsum, 48 Milliarden DM durch angstbedingten Alkoholkonsum, 30 Milliarden DM durch Mobbing-Prozesse, 18 Milliarden DM durch angstverursachte Fehlzeiten.

"Auch wenn man bei diesen Schätzungen und Berechnungen", so Panse und Stegmann, "Schnittmengen berücksichtigen muß, so ist es realistisch, daß durch Ängste allein der deutschen Wirtschaft jährlich ein Schaden von über 100 Milliarden DM entsteht."

"Dieser Milliardenschaden kann aber nur gemindert werden, wenn die Angst und nicht die unter Ängsten leidenden Mitarbeiter bekämpft werden. Das richtige Instrument für diesen kostensenkenden Kampf sehen wir in einem betrieblichen Angstmanagement. Für uns", so fassen Panse und Stegmann ihre Erkenntnisse in der Studie zusammen, "ist Angstmanagement kein sozialromantischer Prozeß, sondern ein Gebot betrieblicher Ökonomie" (S.175f).

Die Autoren illustrieren, wie Ängste in Unternehmen entstehen und warum Ängste die Leistung beeinflussen. Wie Ängste in der
Wirtschaft hingegen wirksam bekämpft werden können, wird eher angedeutet.

Psychotherapeuten empfehlen den Verantwortlichen in der Wirtschaft schon seit langem, bei der Kostensenkung mehr Aufmerksamkeit auf die "weichen Faktoren" zu richten. Wenn man bedenkt, dass Menschen mit Angst- und Panikstörungen im Durchschnitt erst nach acht bis zehn Jahren einen geeigneten Angsttherapeuten aufsuchen und trotzdem durchschnittlich innerhalb von weniger als 15 Behandlungsstunden ihre Angst zu überwinden lernen können (wie der Rezensent von der Statistik seiner Angstambulanz weiß), so ist nur zu erahnen, welche Kosten durch eine frühzeitige, effiziente Behandlung gespart werden könnten. Den Kostenfaktor Angst nicht zu erkennen bedeutet, auf dem Gipfel der Verschwendung zu stehen.

Panse und Stegmann verweisen allerdings auf die in Deutschland bestehenden Schwierigkeiten mit der Akzeptanz von Angst als psychisches Problem. "Magengeschwüre, Herzinfarkt und auch Krebs sind Krankheiten, die akzeptiert werden und bei denen man den Betroffenen mit Mitgefühl begegnet", schreiben die Autoren. "Anders ist es bei angstbedingten psychischen Erkrankungen. Hier werden die Betroffenen schnell mit Neurotikern in eine Schublade gesteckt oder als willensschwache Individuen für betrieblich untauglich erklärt. Daraus erklärt sich u.a. auch, daß Deutschland über genauso viele 'psychosomatische Betten' verfügt wie die gesamte restliche Welt. Erst wenn gar nichts mehr geht, erst wenn der Manager, der schmerzunempfindliche Wirtschaftsindianer, überhaupt nicht mehr kann und wenn alle medikamentösen Lösungsmöglichkeiten ausgereizt sind, wendet er sich an einen Psychosomatiker. Und wenn er dann, weil es keine andere Lösung mehr gibt, in in eine psychosomatische Klinik eingeliefert wird, so läßt er - sicherheitshalber - mitteilen, daß er sich in einer Herz-Kreislauf-Kur befindet. Ein in vielen Bereichen der USA unvorstellbares Verhalten", stellen die Autoren fest: "Dort hat jeder zweite seinen Psychologen oder Psychoanalytiker, spricht über seine Probleme und wird eher wieder leistungsfähig." (S.107)

Man darf den Autoren als Soziologen und Betriebswirtschaftler nachsehen, dass sie nicht ausreichend zwischen Psychotherapie und Psychoanalyse unterscheiden. Die Richtigkeit der phobischen Schadensbilanz mindert das freilich nicht. Entgegen überlebten Vorstellungen ist eine Psychoanalyse bei Angst- und Panikerkrankungen nicht wirksam, betonten Prof. Dr. G. Côté und Prof. Dr. David H. Barlow vom Zentrum für Stress- und Angsterkrankungen der State University of New York vor Jahren im "Handbook of Effective Psychotherapy": "psychoanalytische Therapie hat sich bei Panikstörungen nicht als wirksam erwiesen" (1993, S. 163f.).


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Nach drei Stunden kognitiver Psychotherapie bei ABARIS war Flug nach Ibiza ein "wunderschönes Erlebnis".





Ein nicht ungewöhnlichen Fall in der Angstambulanz Stuttgart des ABARIS Institutes für Psychotherapie war zum Beispiel ein Unternehmer (Mitte 30), der an einer zunehmenden Herzphobie und Agoraphobie mit Panikstörung litt, die ihn schließlich sogar daran hinderte, zum Bäcker um die Ecke zu gehen. Die massivsten Ängste bestanden vor Höhen, Tunnels und vor dem Fliegen, was ihn bei der Ausübung seiner Tätigkeit massiv einschränkte. Nach einer gründlichen Diagnostik, kognitiven Vorbereitung, mentalen Umstrukturierung und Therapieplanung wurde nach dem "Stand der Kunst" ein therapeutisches Drei-Tages-Programm zusammengestellt, das alle wesentlichen Übungssituationen des Klienten beinhaltete: Fahrt zum Fughafen mit separatem PKW, gemeinsames Einchecken mit dem Therapeuten und Flug nach New York, Hotel-Check-In und Übernachtung in New Yorks höchstgelegenem Einzelzimmer, Besteigen der Freiheitsstatue und Essen mit und ohne Therapeuten, Fahrten mit U-Bahn, Bus und Seilbahn, Besuch der Börse an der Wall Street, des World Trade Center mit senkrechtem Blick 420 m tief in die Straßenschluchten, Helikopter-Rundflug über Manhattan zunächst mit und dann ohne Therapeuten, Mietwagentagesrundfahrt nach Philadelphia und Bummel an der Atlantikküste, alleinigem Einkaufen u.s.w.

Trotz anfänglich großer Ängste bewältigte der Klient in einem Block unter therapeutischer Führung alle Situationen und erlangte die erforderlichen eigenen konkrete Erkenntnisse und Erfahrung, die es ihm ermöglichten, seine Ängste abzulegen. Er veränderte sein Leben grundlegend, unternahm Reisen und hatte zunehmend beruflich Erfolg. Auch in seinem vergleichsweise aufwendigen therapeutischen Vorgehen kostete seine Behandlung nur knapp 10.000,00 DM. Sie dauerte trotz der bereits 15 Jahre bestehenden Erkrankung aufgrund der intensiven Blocktherapie insgesamt nur wenige Wochen. Ohne diese Behandlung hätte die Angst für sein mittelständisches Unternehmen mit rund 50 Mitarbeitern zerstörerisch werden können.

Es wird wohl noch mehrerer Auflagen von Panses und Stegmanns verdienstvoller Studie bedürfen, bis der Kostenfaktor Angst in der Wirtschaft eine angemessene Würdigung findet. Dies gilt für den Umgang mit psychischen Problemen insgesamt. Experten raten dazu, die Ängste der Mitarbeiter nicht zu verdrängen, sondern eine "Vertrauenskultur" im Unternehmen aufzubauen. Diese sollte Mitarbeitern ein Gefühl der Wertschätzung vermitteln und Konflikte oder Fehler "sachorientiert" aufarbeiten. Auch die Kooperation mit erfahrenen und vom jeweiligen Unternehmen unabhängigen Psychotherapeuten - das wird bei der Lektüre deutlich - kann sich für die Unternehmen rasch auszahlen.


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Ein Trugschluss mancher Vorstände ist allerdings die Annahme, die Anstellung eines Betriebspsychologen werde diese Probleme schon lösen. Zum einen wird dem Betriebspsychologen eine Treppe tiefer oder höher kaum ein Mitarbeiter frei von seinen inneren Kämpfen erzählen. Zum anderen sind viele Führungskräfte selbst viel zu sehr im Würgegriff der Angst, als dass sie in der Lage wären, über den Kostenfaktor Angst offen im Unternehmen zu kommunizieren.

Erfolgreiches Angstmanagement ist eine Frage des Vertrauens und der Distanz. "Bauen Sie sich eine gewisse Distanz zu Ihrem Betrieb auf", empfehlen Panse und Stegmann. "Diese Distanz ist sogar ökonomisch sinnvoll, denn durch Ihre [hieraus ermöglichte] Gelassenheit gehen Sie emotional viel freier und damit sachlich überlegter an Ihre Aufgabe." (S. 274) Ein kluger Finanzvorstand könnte auf den Gedanken kommen, dieses Buch Führungskräften mit Personalverantwortung anlässlich ihrer Berufung  - zur Sensibilisierung - in die Hand zu drücken.





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