Dass die Verlierer der Globalisierung die Brexitabstimmung als Ventil nutzten, ihre Verzweiflung auszudrücken, ist nachvollziehbar. Sie haben nicht die Möglichkeit regelmässig über moderatere Vorlagen abzustimmen.
Bei dieser Abstimmung ging es jedoch nicht nur um Protest und Denkzettel. Triebfeder für viele Brexitbefürworter ist ihr Nationalismus. "Britain first": wir stellen unsere Nation über alle anderen. Wir sind besser als ihr! Die Siegesposen und Euphoriebekuntgeben der UKIP Leute sprechen für sich. Die selben Kräfte hetzen auch in Osteuropa, in den Visegradstaaten Polen, Ungarn, Slowakei. In Frankreich, Holland, Österreich, Deutschland und der Schweiz. Widerstand gegen einen europäischen Zentralapparat, der in der Tat reformiert werden muss, ist legitim. Zu zündeln und braune Phantasien zu bedienen, finde ich nicht spassig, das gehört ins letzte Jahrhundert.
Dass viele Leute auf Ariva, den Entscheid fast euphorisch und unkritisch bejubeln, stimmt mich bedenklich. Und noch eine Anmerkung zu den armen, "unterdrückten" Engländern: 1972 hat die britische Armee in Derry 15 katholische Iren niedergemetzelt. Noch heute empfinden viele Iren Nordirland als durch die Engländer besetzt. Noch heute marschiert der pro-britische Oranier-Orden durch die katholischen Gebiete. Am besten kehren sie zuerst vor ihrer eigenen Türe.
Zu den Nationalbanken und der Geldpolitik: Dass sich an Draghis Geldpolitik jetzt was ändert, stufe ich als unrealistisch ein. Im Gegenteil, zumindest in den nächsten Wochen werden die Interventionen der Nationalbanken zunehmen, längerfristig wird das QE wohl sogar ausgebaut. In der Schweiz wird diskutiert den LIBOR auf -1 oder tiefer (!) zu senken (s. Artikel unten), in den USA erwarten die ersten die Senkung des Zinses wieder auf 0. Auch die EZB wird den Markt weiterschwemmen, jetzt mit einer Begründung mehr: "Wir müssen die Folgen des Brexit bekämpfen und eine Rezession verhindern". Instabilität in Europa stärkt m. E. Draghi & Co.
Zudem verlöre Deutschland mit GB einen Partner, der an einer strengen Budgetdisziplin interessiert war. Die PIIGS Staaten gewinnen in der EU an Einfluss, und die sind wegen der hohen Verschuldung zusammen mit Frankreich an einer weiteren Geldschwemme interessiert und stehen hinter Draghi.
Dass die EU bzw. ganz Europa jetzt arbeiten und das Zusammengehen neu definieren muss, ist gut. Die nationalistische Hetze nicht. Viele Engländer werden nach den Siegesfeiern am Montag mit einem Kater erwachen. Das Lachen könnte einigen von ihnen noch vergehen.
Die Nationalbank schlägt zurück (Artikel im Tages Anzeiger):
www.tagesanzeiger.ch/wirtschaft/konjunktur/...k/story/21500938