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Eigentlich hat die EZB nur Gutes im Sinn, wenn sie für Entspannung bei der Kreditklemme sorgen will. Dass sie deswegen aber auch den Kauf vom Ramschpapieren in Betracht zieht, weckt bei Ökonomen schlimmste Befürchtungen.
Berlin - Ökonomen blicken mit Sorge auf die Pläne der Europäischen Zentralbank (EZB), den Geschäftsbanken in großem Umfang Schrottpapiere abzukaufen. „Das gibt Anlass zu schlimmsten Befürchtungen. Die EZB bewegt sich immer schneller auf einer abschüssigen Bahn, sagte der Präsident des Münchner Ifo-Instituts...
Er habe erwartet, dass die EZB ihr Aufkaufprogramm zunächst nur auf Papiere hoher Bonität beschränke, um erst einmal das Eis für solche Aktionen zu brechen. „Dass es dabei bleiben würde, hielt ich aber für unwahrscheinlich angesichts der Not, in der sich viele Banken Südeuropas befinden“, sagte Sinn weiter. „Sie können dem Druck der Wirtschaftsprüfer, Bilanzwahrheit herzustellen, nicht mehr allzu lange standhalten.“
Daher erscheine es plausibel, dass es so kommen würde, wie bei der Pfänderpolitik, wo die EZB sukzessive zu schlechteren Qualitäten übergegangen sei und zum Schluss „reinen Investitionsschrott akzeptiert“ habe. „Nun war ich aber doch überrascht, dass die die EZB die Standards für die Bonität der aufzukaufenden Papiere schon von Anfang an so reduzieren will, dass auch die griechischen und zyprischen Banken ihre Papiere loswerden.“
Aus Sicht des Finanzmarktexperten Bert Van Roosebeke vom Centrum für Europäische Politik (CEP) in Freiburg riskiert die EZB mit dem Kauf von Kreditverbriefungen (ABS) finanzielle Verluste und Interessenkonflikte. Die ABS-Käufe hätten nur dann einen Effekt, wenn die Zentralbank riskantere Papiere aufkaufe, sonst fehlten die Masse und die Eigenkapitalfreisetzung in den Bankenbilanzen. „Das Risiko ist hoch“, warnte Van Roosebeke..., "die EZB kauft Papiere, die sie noch nicht mal als vorgelagerte Sicherheit bei der Kreditaufnahme von Banken akzeptiert.“
Der CEP-Experte gab zudem zu bedenken, dass die EZB Geldpolitik und Bankenaufsicht gleichermaßen verantworte. „Es ist fraglich, wie die EZB die Kreditvergabe von Banken im ABS-Markt neutral prüfen kann, wenn der Markt zu einem wichtigen Element der EZB-Geldpolitik wird.“
Die EZB wollte heute die mit Spannung erwarteten Details ihres Ankaufprogramms für Kreditverbriefungen und Pfandbriefe bekanntgeben. Laut einem Medienbericht will die Notenbankführung dabei auch Ramsch-Papiere aus Griechenland und Zypern kaufen. Dies könnte den seit Jahren schwelenden Konflikt zwischen der EZB und der Bundesbank zusätzlich anheizen. Bundesbank-Präsident Jens Weidmann lehnt das gesamte Kaufprogramm ab, weil er fürchtet, dass die EZB dadurch zu große Risiken auf ihre Bilanz nimmt. EZB-Präsident Mario Draghi will mit dem Programm erreichen, dass die Banken wieder mehr Kredite vergeben.
Nach Einschätzung des Londoner Europarechtlers Gunnar Beck verstößt die EZB mit ihrem ABS-Kaufprogramm in mehrfacher Hinsicht gegen EU-Recht. Zwar dürfe die EZB grundsätzlich Wertpapiere und Euro-Forderungen auch von Banken aufkaufen, aber nur über den Kapitalmarkt zu Marktpreisen, zu geldpolitschen Zwecken und gemäß dem „Vorsichtsprinzip“ nur gegen ausreichende Sicherheiten, sagte Beck dem Handelsblatt (Online-Ausgabe). Bei Ramschpapieren sei dies nicht der Fall. „Damit geht die EZB erhebliche Kreditausfall- und Verlustrisiken ein, die sie den privaten Geschäftsbanken abnimmt.“
Die ABS-Käufe könnten daher selbst bei begrenzten Ausfällen das geringe Eigenkapital der EZB aufzehren, warnte Beck. Die Lücken müssten die Euro-Regierungen schließen. Andernfalls müsste die EZB Staatsanleihen kaufen oder neues Geld drucken. „Das wäre monetäre Staatsfinanzierung, die laut EU-Recht untersagt ist.“
Aus europarechtlicher Sicht problematisch ist aus Sicht Becks zudem, dass die EZB mit den ABS-Käufen marode Banken entschuldet und Unternehmenskredite subventioniert. „Kredithilfen sind jedoch allenfalls Aufgabe der nationalen Industrie- und Ausgabenpolitik, wie etwa der Kreditanstalt für Wiederaufbau“, sagte Beck. „Mit der beschlossenen Banken- und Unternehmenssubventionierung überschreitet die EZB eindeutig ihr Mandat.“
Für nicht mit dem EZB-Mandat vereinbar hält Beck überdies den Umstand, dass die Zentralbank mit den ABS-Käufen und Billigkrediten Kapital dorthin lenke, wohin es eigentlich aufgrund von Marktprozessen nicht flösse: in marode Banken und in südeuropäische Staatsanleihen und Unternehmenskredite. „Dadurch animiert EZB-Präsident Draghi die Kreditinstitute erneut genau die Risiken einzugehen, die er ihnen mit den ABS-Käufen gerade abnehmen will. In ein paar Jahren kommt es dann zur nächsten, noch größeren Finanzkrise.“
Die ABS-Käufe würden daher, wie Beck betonte, auf Jahrzehnte „gewaltige Risiken“ für die Steuerzahler bergen. „Kommt es zu Ausfällen, belasten diese die Staatskassen oder es kommt zu Geldentwertung“...
Das Geld derer, die sich ein Haus kaufen wollen oder für ihr Alter absichern wollen, verliere jährlich auf diese Weise mehrere Prozent an Wert. „Legen wir einen Normalsparzins von zwei Prozent minus Inflation zugrunde, enteignet Draghi die deutschen Sparer so jährlich bei etwa zwei Billionen Euro Sparguthaben um etwa 40 Milliarden Euro“, so Beck. Damit subventioniere der EZB-Chef Banker-Bonitätszahlungen und gewaltige Vermögenszuwächse der Großaktionäre und Immobilienblasen. „Draghi setzt damit die Grundlagen der deutschen sozialen Marktwirtschaft aufs Spiel“, resümierte der Europarechtler.
...Offiziell wolle Draghi mit seinem ABS-Programm die Kreditvergabe der Banken ankurbeln. Doch tatsächlich kaufe er damit maroden Banken faule Kredite ab, und animiere sie im selben Zuge, genau solche Risiken wieder einzugehen und zudem noch Staatsanleihen zu kaufen. „Diese Papiere wird die EZB dann irgendwann erneut kaufen“, sagte Beck. „Die EZB wird so zum Endlager für finanziellen Atommüll.“
Die Bundesregierung sieht Beck vor diesem Hintergrund in der Pflicht, „dem Treiben des rechtslosen Bankenfreundes an der EZB-Spitze ein Ende zu machen“, um, wie es der Amtseid deutschen Politikern vorschreibe, „Schaden von deutschen Volke abzuwenden“.
Kritik an der EZB kam auch vom Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR). „Die Geldpolitik darf nicht hyperaktiv werden“, sagte BVR-Vorstand Andreas Martin. Mit ihrem Aktivismus erwecke die Geldpolitik Erwartungen, die sie nicht erfüllen könne.....
Martin betonte: „Die europäische Wirtschaft braucht eine Wachstumsstrategie und nicht immer neue geldpolitische Maßnahmen.“ Das Potentialwachstum, also die maximale Rate, mit der die Wirtschaft des Euro-Raums ohne inflationären Druck expandieren könne, liege lediglich bei rund einem Prozent, gab der Banker zu bedenken. Auch in Deutschland sei das Potentialwachstum mit 1,25 Prozent recht bescheiden. Um stärker wachsen zu können, müssten daher die geschwächten Volkswirtschaften modernisiert und Wachstumshemmnisse beseitigt werden.