Betrachtet man den gestern für die Trendumkehr (Short-Squeeze) maßgeblichen Satz...
...können auch Zweifel am unterstellten Sachverhalt aufkommen.
- (V)LTRO ausweitet (= mehr Geld für Banken über einen längeren Zeitraum bereitstellt)
Zinssenkungen würden sich bei 0,15 % Leitzins kaum mehr auswirken, sie sind fast irrelevant.
(V)LTRO (= längerfristige Offenmarktgeschäfte) wurden von der EZB gerade erst in großem Umfang neu angekündigt, was soll da Neues hinzukommen?
Bliebe nur Euro-QE. Goldman hatte im Mai Gründe genannt, warum Euro-QE NICHT kommen könne:
Das kann man freilich auch als Kontraindikator lesen.
Rein rechtlich ist der EZB Euro-QE verboten (siehe auch # 030), es wäre Staatsfinanzierung aus der Notenpresse bzw. die verbotene "Monetarisierung von Staatsschulden". Zu deutsch. Die PIIGS sind am Ende, also druckt Draghi Ihnen neues Geld, indem er frisch emittierte neue Staatsanleihen der "Problemländer" von der EZB aufkaufen lässt. Zum Geldruck-Mechanismus (generell), siehe hier:
www.ariva.de/forum/...r-Verteilungsfrage-472111?page=944#jumppos23605Damit würde allerdings der "Weidmann'sche Pfad der Tugend" (EZB als neue Bundesbank) vollends verlassen. Es wäre ein Rechtsbruch, und der Euro würde zur Weichwährung. Kursziele um die Parität (also EUR/USD = 1,00) wären denkbar. Die Schweizer Nationalbank würde unter extrem Druck kommen. Sie könnte kaum noch die seit langem "verteidigte" (und schon jetzt wieder gefährdete) 1,20 Linie bei EUR/CHF halten. Bricht diese, fiele EUR/CHF auf Parität, was es 2012 schon mal sekundenlang gab. Das würde der schweizer Exportwirtschaft große Probleme bereiten.
Den PIIGS würde ein weicher Euro nützen, ebenso der deutschen Exportindustrie, und vor allem Firmen wie Airbus.
Den Amerikaner würde ein auf Parität zum Euro erstarkter Dollar hingegen schaden. Die "Exportgewinne" (Dollar-Äquivalent der Umsätze von Firmen wie Coca Cola oder McDonalds in Europa) würden um knapp 20 % einbrechen. US-Firmen haben daher an einem starken Dollar wenig Interesse.
Politisch hingegen käme USA ein schwacher - und schlussendlich zerfallender - Euro gut zu Pass, würde dies doch den angeschlagenen Weltleitwährungsstatus der US-Dollars wieder festigen. Ich vermute, dass die aktuelle Destabilisierung Europas über den provozierten Ukraine-Krieg und die Russland-Sanktionen strategisch darauf abzielt, den Euro in dem Sinne deutlich zu schwächen, wenn nicht kaputt zu machen.
Mit Euro-QE, geboren in einer Stunde höchster PIIGS-Not, käme der zweite Sargnagel. Ich glaube, dass der Euro es nicht überleben würde, wenn Euro-QE eingeführt würde. Es wäre praktisch die Aufhebung der Maastricht-Stabilitätsgesetze - und damit der "Anfang vom Ende" des Euro. Völlig unwahrscheinlich ist die implizit in obiger News vorgetragene Behauptung, Euro-QE könne wegen so eine Nichtigkeit wie "zu niedrige Inflation" eingeführt weren.
Weidmann würde Euro-QE (in geringem Umfang) wohl nur dann akzeptieren, wenn irgendein PIIGS-Dickschiff, z. B. Italien, kurz vor der Staatspleite steht. Und Merkel würde vermutlich im gleichen Atemzug verlangen, dass Italien seine Haushalts-Souveränität entzogen würde. Italien würde an die Kette von Brüssel (und damit indirekt von D.) gelegt. Dies wiederum dürfte weder Italien noch Draghi besonders gut schmecken.
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Nach all dem Hin und Her nun mal meine konkrete, für Trader wie Dich, Hudi, womöglich interessante Bauchmeinung.
Ich glaube nicht, dass Euro-QE ohne Not kommt. "Zu niedrige Inflation" und Ahnliches reichen für Draghi nicht aus, um die Maastricht-Kriterien außer Kraft zu setzen.
Der Downtrend in EUR/USD rührt mMn daher, dass Hedgefonds (vor allem aus USA) Ende Mai eine Kehrtwende vollzogen haben.
Seit Sommer 2012 hatten die HFs - Draghis LTRO ausschlachtend - auf eine "Erholung" in der Eurozone gewettet, die ja auch seit 2 Jahren fast täglich in der Presse herausposaunt wird. Und dies, obwohl in den PIIGS für jeden sichtbar die Heide brennt und die Jugendarbeitslosigkeit teils über 50 % liegt. (siehe meine gestrigen "Bomben"-Artikel zu Spanien, Italien etc.).
Als Beweis für die PIIGS-"Erholung" wurde das Sinken der Zinsspread angeführt. Brachten 10-j-Spanienbonds 2012 noch 7 % Rendite, bringen sie inzwischen teils weniger Rendite als AAA-US-Staatsanleihen, obwohl Spaniens Rating fast auf "Junk" steht. Das ist absurd, aber eben eine Folge der LTRO-Marktverzerrung: Banken aus den "Problemländern" nutzten 2012 den 3-Jahre-Gratis-Kredit (LTRO) von Draghi, um jeweils in großem Umfang landeseigene Staatsanleihen aufzukaufen. Im Grunde waren das Stellvertreterkäufe der EZB, die via Banken aber als "Privatgeschäfte" kaschiert wurden, um das Aufkaufverbot der EZB zu umgehen.
Da die "Europa-erholt-sich"-Story, gegen einen riesigen Wall of Worry in den Markt gedrückt, aber inzwischen schwindsüchtig wird, haben die großen Hedgefonds im Mai die Richtung gewechselt und wetten nun auf einen Niedergang der PIIGS und des Euro. Das ist mMn die fundamentale Ursache für die Euro-Schwäche ab Sommer.
Du weißt aber selber, Hudi, dass der Devisenmarkt das wohl größte Schmieren-Theater der Welt ist. Sieht man sich EUR/USD an, so fällt auf, dass es im Sommer bis in den frühen Herbst meist "saisonale Schwäche" gibt. Zum Winter hin gibt es hingegen oft starke Euro-Rallyes. Mich würde nicht wundern, wenn EUR/USD - diesem Muster folgend - Weihnachten wieder bei 1,40 stünde - ganz egal was in den PIIGS los ist.
Um den Weltleitwährungs-Status des US-Dollars zu erhalten, reicht es völlig aus, wenn von Zeit zu Zeit mal eine Euro-Verkaufspanik losgetreten wird. Das wird mMn jetzt unter (unrealistischem) Verweis auf Euro-QE durchgezogen.
Dem übergeordneten (geo)politischen Interesse, den Dollar als Leitwährung zu erhalten, stehen aber - diametral - die Interessen der US-Wirtschaft entgegen. Es gibt nur gute Zahlen für exportlastige SP-500-Firmen, wenn EUR/USD über 1,30 bleibt. Je höher, desto besser für Amerika, und desto schlechter für Europa. Diese kurzfristigen Gewinninteressen werden mMn dafür sorgen, dass EUR/USD Weihnachten wieder viel höher stehen wird, als der aktuelle Downtrend "suggeriert".
Diese Szenario wäre nur dann vom Tisch, wenn es in einem oder mehreren PIIGS zu einer schweren Staatsfinanzkrise (Pleitegefahr) käme. Dann könnte Weidmann in der Not tatsächlich Euro-QE durchwinken. Doch wenn das käme, würde sofort eine wahnsinnige Börsen-Rallye einsetzen, "weil" Draghi "endlich" auch QE betreibt. Und die wiederum würde vermutlich selbst EUR/USD im "risk-on" Trade heben. Wie gesagt: Größtes Schmieren-Theater der Welt - und letztlich fast unkalkulierbar.