Borussia Dortmund stellt sich in beeindruckender Weise für die neue Saison auf.
Klar, nach der ereignisreichen Transferperiode wird das Team auch eine Wundertüte sein. Aber eine, die Spaß machen wird.
Hätte ich noch keinen Lieblingsklub, Borussia Dortmund wäre gerade drauf und dran, mein Herz zu erobern. Selten habe ich einen Verein die Sommerpause so gut nutzen sehen wie aktuell den BVB. Zum bestmöglichen Zeitpunkt, nämlich lange vor Trainingsstart, puzzelt Schwarz-Gelb ein Bild zusammen, das mir nicht nur große Lust macht auf die Dortmunder Saison 2016/17, sondern das dem Spielerkader des langjährigen Jürgen-Klopp-Vereins auch ein nagelneues Gesicht gibt. BVB-Übervater Klopp siedelt ein Jahr nach seinem Abschied nun endgültig über ins Borussia-Dortmund-Museum, seine tiefen Spuren verlieren sich in diesem Sommer.
Die vergangene Saison hatten sie beim BVB intern als Übergangsjahr deklariert. Dass es derart erfolgreich lief, dass sie unter dem neuen Trainer Thomas Tuchel auf Anhieb mehr Punkte einfuhren als in den vergangenen drei Klopp-Spielzeiten, damit hatte niemand gerechnet. Tuchels Arbeit begeistert jeden, der beim BVB auf ihn trifft. Eine wahnsinnige Detailverliebtheit gepaart mit immenser Geduld und der Qualität, sehr gut zuhören, verstehen und vermitteln zu können, ist sehr selten im Egozirkus Profifußball.
Tuchel hat klare Vorstellungen, wie es mit dem BVB, immer mehr seinem BVB, weitergehen soll. Seine Emanzipation ist abgeschlossen, keiner im Verein vergleicht ihn mehr mit Klopp. Tuchels Ansporn ist, seine Epoche zumindest genauso erfolgreich zu gestalten wie die sieben Jahre zuvor. Wirklich zufrieden, spüren sie in Dortmund, ist der fleischgewordene Ehrgeiz aber erst, wenn er mehr erreicht. Tuchel ist klug und weiß, was der große französische Regisseur Francois Truffaut, einer der Mitbegründer der Nouvelle Vague, der Neuen Welle, zu Lebzeiten formulierte: "Man kann niemanden überholen, wenn man in seine Fußstapfen tritt."
Ich bin zu 100 Prozent sicher: Die aktuelle Gesichts-OP wird den BVB schon kurzfristig verschönern. Sie ist in jeder Einzelheit geplant. Tuchels täglichen Begleitern in Dortmund fällt auf: Der Cheftrainer meckert nicht über Abgänge, ob fix oder bevorstehend, sondern er hat immer schon Ideen im Kopf, wie der Verein die vermeintliche Not zur Tugend machen kann. Tuchel ist meist einen Schritt voraus, doch bemüht sich, seine Gedankenschnelligkeit nicht arrogant wirken zu lassen. Sondern als Qualität, die Borussia Dortmund, seinem Arbeitgeber, einen Vorteil verschafft. Alle schätzen das.
Der Verlust von Hummels ist auszugleichen - und er bringt Geld
Von Marc Bartra, 25, dem neuen Innenverteidiger, der für acht Millionen Euro aus Barcelona kam, ist Tuchel derart überzeugt, dass mittlerweile auch die anderen im Stab glauben, den Weggang von Identifikationsfigur Mats Hummels fußballerisch aufzufangen. Und, schöner Beigeschmack, noch über 25 Millionen an dem "Austausch" verdient zu haben. Auch der Abgang von Ilkay Gündogan, für 27 Millionen zu Manchester City, wird intern nicht annähernd so hoch gehängt wie im Umfeld, Julian Weigl ist längst Gegenwart, aber vor allem Zukunft.
Deshalb entschied sich Emre Mor für den BVB
In ähnlichen Sphären wie Bartra bewegen sich die Transfers der europaweit hochgelobten Außenstürmer Ousmane Dembele, 19, für 8 Millionen aus Rennes, und Emre Mor, 18, für 9,5 Millionen aus Nordsjælland. Beide, glauben Experten, haben Weltklassepotenzial, auch in Sachen Wertsteigerung. Der BVB kauft sich reich. Genau wie im Fall Raphael Guerreiro, 22, herausragender Linksverteidiger des FC Lorient (Frankreich) und mit Portugal gerade bei der EM, der für zwölf Millionen Euro kommt. Nur Formalien sind noch zu klären.
Ja, der neue BVB, der am 4. Juli das erste Mal trainiert, ist ganz sicher auch eine Wundertüte. Aber kennt man erstens diejenigen, die sie akribisch zusammengestellt haben, und zweitens ihre hochklassigen Inhalte, so lässt sich schon erahnen, wie viel Spaß sie allen bereiten wird. Mal abgesehen von ihren Gegnern.
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