Die €urodecke wird nicht jeden Staat in Europa wärmen, an Anleihen aus dem südeuropäischen Raum etc., möchte ich gar nicht erst denken.
Es wird bitterkalt werden in der Zukunft. Zustände, wie in Italien zum IWF-Gipfel werden die nächsten Jahre bestimmen...dem Großkapitals ist es egal.
Anbei ein wenig Material zum Nachdenken...
In diesem Sinne ein fröhliches Weihnachtsfest und einen guten Rutsch....
proxi
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www.bueso.de/nrw/lyn.htm
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ftd.de, Mi, 19.12.2001, 7:31
IWF übt scharfe Kritik an Argentinien
Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat die argentinische Wirtschaftspolitik scharf kritisiert. In der Hauptstadt Buenos Aires wurden in der Nacht zu Mittwoch Geschäfte geplündert und Straßenbarrikaden errichtet.
Der IWF-Chefökonom Kenneth Rogoff sagte am Dienstag in Washington, die Mischung aus Steuerpolitik, Schulden und Wechselkurs sei eindeutig nicht tragbar. Zu Details der argentinischen Politik äußerte er sich nicht. Der IWF hatte zu Monatsbeginn bereits einen Kredit von 1,3 Mrd. $ zurückgehalten, weil Argentinien das vereinbarte Haushaltsziel nicht erreicht hatte. Der argentinische Finanzminister Guillermo Mondino sagte in Uruguay, Buenos Aires sei auf das Geld zur Schuldentilgung dringend angewiesen.
Nach einer mittlerweile vier Jahre währenden Rezession leidet das Land unter starker Deflation, hoher Arbeitslosigkeit und einem Abfall der Industrieproduktion innerhalb eines Jahres um elf Prozent. Die Schulden des Landes belaufen sich auf 132 Mrd. $. Wirtschaftsminister Domingo Cavallo kündigte am Montag an, die öffentlichen Ausgaben für das kommende Jahr von 49 auf 39,6 Mrd. $ zu kürzen. Präsident Fernando de la Rua rief im Kongress alle Parteien dazu auf, den Sparhaushalt der Regierung aus Patriotismus zu unterstützen.
Einige Verletzte
In Buenos Aires haben sich arbeitslose Demonstranten und Polizisten in der Nacht zu Mittwoch heftige Auseinandersetzungen geliefert. Fernsehberichten zufolge errichteten die Demonstranten in den verarmten Vororten Moreno und San Miguel Straßenbarrikaden aus brennenden Autoreifen und plünderten mindestens ein Geschäft. Da die größeren Supermärkte schon den Tag über von der Polizei vor zornigen Bürgern geschützt wurden, brachen die überwiegend jungen Leute in kleinere Geschäfte ein. Im Fernsehen waren aufgebrachte Menschen zu sehen, die triumphierend rohe Steaks oder eine Jeans in die Höhe reckten. Die Polizei ging mit Tränengas und Knüppeln gegen die Protestierenden vor. Dabei wurden einige Menschen verletzt. Die Demonstranten riefen "Wir haben Hunger, wir wollen essen".
Die Regierung räumte angesichts einer Rekordarbeitslosigkeit von mehr als 18 Prozent und keiner Arbeitslosenunterstützung "soziale Spannungen" ein. Präsident de la Rua, dem es in seinen ersten zwei Amtsjahren nicht gelungen ist, die von seinem Vorgänger Carlos Menem übernommene Wirtschaftskrise zu beenden, sah jedoch "keinen Anlass zur Beunruhigung". Schon in den vergangenen Tagen war es in verschiedenen Provinzen des hochverschuldeten Landes zu Plünderungen gekommen. Die Regierung kündigte die Verteilung kostenloser Lebensmittelpakete an. Zu Plünderungen größeren Ausmaßes war es zuletzt es Ende der 80er Jahre gekommen.
© 2001 Financial Times Deutschland
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Argentinien setzt Zahlungen aus
Einführung einer Parallelwährung
Buenos Aires, 23. Dez. (Reuters) Argentiniens neu gewählter Präsident Adolfo Rodriguez Saa hat am Sonntag unmittelbar nach seiner Wahl durch den argentinischen Kongress eine Aussetzung der Schuldendienstzahlungen seines Landes angekündigt. «Ich mache bekannt, dass der argentinische Staat die Bezahlung seiner Auslandschulden aussetzen wird. Dies ist keine Ablehnung der Schuldendienstleistungen . . . aber ein erster Schritt einer rationalen Regierung in der Behandlung der Schuldendienstzahlungen auf Auslandverbindlichkeiten», sagte Saa nach seiner Vereidigung als Präsident. «Die internationalen Märkte werden reagieren, weil wir mit ihnen verhandeln werden.» Saa, der das Amt des Präsidenten bis zu Neuwahlen am 3. März innehaben wird, kündigte weiter an, er werde die Landeswährung Peso, die seit zehn Jahren im Verhältnis von 1 zu 1 an den US-Dollar gebunden ist, nicht abwerten, und er plane auch keine Dollarisierung der argentinischen Wirtschaft. Allerdings wolle er neben dem Peso eine neue Währung einführen.
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E U R O P Ä I S C H E Z E N T R A L B A N K
Zentrale ohne Macht
Duisenberg contra Greenspan: Warum die Europäische Zentralbank schwach ist - und die US-Notenbank so stark
Von Robert von Heusinger
Das rote Telefon der Europäischen Zentralbank ist in Wirklichkeit weiß. Unscheinbar und klein steht es auf dem Schreibtisch von Francesco Papadia. Wenn es ernst wird und Geheimhaltung zählt, greift der Chefhändler der EZB zum weißen Hörer und hat sofort seine Kollegen der nationalen Notenbanken an der Strippe. Aus seinem Büro im Frankfurter Eurotower koordiniert Papadia die Eingriffe der EZB in den Markt, versorgt die Banken mit Geld oder handelt mit Devisen.
So wie am 11. September: Nach den Terroranschlägen in den USA drohte der Weltwirtschaft das Geld auszugehen - die amerikanischen Banken waren wie gelähmt. Vier Stunden telefonierte Papadia mit den Notenbankern in Rom, Paris oder Brüssel, er redete auf seine Kollegen ein. Dann stand fest: Die EZB würde Geld in den Markt pumpen, am 12. September allein 69 Milliarden Euro. Weil die Geschäftsbanken auch Dollar brauchten, vereinbarte Papadia später noch ein Tauschgeschäft mit der US-Notenbank: Zum ersten Mal in ihrer erst dreijährigen Geschichte verlieh die EZB eine fremde Währung - diese Aufgabe ist in ihren Statuten gar nicht vorgesehen.
Ihr schnelles Handeln brachte der Zentralbank bei Händlern, Analysten und Politikern viel Lob ein. Es war das einzige Lob im ganzen Jahr. Ansonsten hagelte es Kritik: Die EZB senke die Zinsen zu langsam, stimuliere die schwächelnde Konjunktur zu wenig und kommuniziere ihre Geldpolitik auch noch schlecht. Tatsächlich sind die Lenker der zweitwichtigsten Notenbank der Welt manchmal übervorsichtig. Schließlich gibt es die EZB erst seit drei Jahren. Und nie zuvor gab es eine Währungsunion ohne politische Union.
Ihr eigentliches Problem aber heißt Alan Greenspan. Es ist der Chef der US-Notenbank Federal Reserve, an dem die Eurobanker gemessen werden - und diesen Vergleich verlieren sie. Regelmäßig. Da mag EZB-Chef Wim Duisenberg noch so locker auftreten, vier Sprachen sprechen und in Ratssitzungen den einzelnen Notenbankpräsidenten für ihre öffentlichen Äußerungen auch schon mal die Leviten lesen: Devisenhändler und Volkswirte halten von der Arbeit des Niederländers nicht viel. Solange Alan Greenspan amtiert, wird sich das kaum ändern.
Die Europäische Zentralbank ist unberechenbar, klagen die professionellen und hoch bezahlten Beobachter in den Banken. Nur jedem dritten Experten gelang es im laufenden Jahr am Tag vor einer Zinsentscheidung, diese richtig vorherzusagen. Dagegen wurden die Entscheidungen Greenspans von den Fed-Beobachtern zu 86 Prozent richtig getippt. Das ist deshalb so wichtig, weil Banken auf Zinsentscheidungen spekulieren.
Unvergessen ist der 11. April 2001. Die Wetten lauteten auf Zinssenkung, vor allem, weil zwei der wichtigsten Stimmen im Rat, EZB-Chefvolkswirt Otmar Issing und der französische Notenbankchef Jean-Claude Trichet, in Interviews deutliche Hinweise auf eine bevorstehende Senkung gegeben hatten. Doch nichts passierte. Später erklärte Duisenberg, dass die Inflation weiter Anlass zur Sorge gebe. Die EZB-Beobachter folgerten, die Zinsen würden frühestens im Sommer gesenkt. Dann kam der 10. Mai, wieder eine Ratssitzung - und prompt senkte Duisenbergs Truppe die Zinsen. Die Wut der Händler, die das zweite Mal in Folge verkehrt lagen und dabei Geld verloren, war der EZB sicher.
Also schimpfen die Analysten auf Duisenberg, und die EZB wundert sich, warum sie ihre Strategie nicht vermitteln kann. Dabei ist gerade das einfach zu erklären: Die 18 Ratsmitglieder entscheiden nicht nur über die Zinsen, sondern reden auch viel - in ihren Heimatländern und gegenüber der Presse. Oft widersprechen sie sich dabei. Niemand weiß, wessen Worten man lauschen soll. Wer ist Mister EZB?
Das Hin und Her in der Zinsfrage zeigt eine weitere Schwäche der EZB: Sie orientiert sich gleich an zwei Größen, an der Entwicklung der Geldmenge und an der Inflation. Wie aber entscheiden die Banker, wenn die Geldmenge höhere und die Inflationsrate niedrigere Zinsen gebietet? Die Zweisäulenstrategie lässt den Zentralbankern mehr Spielraum, als Beobachtern lieb ist.
Die ganze Wahrheit ist das nicht. Der EZB-Fachmann einer US-Investmentbank vermutet hinter der Kommunikationspanne vom Frühjahr eine Machtprobe zwischen Duisenberg und seinem Chefvolkswirt Issing. "Duisenberg wollte intern demonstrieren, wer der Herr über Eurolands Geldpolitik ist." Der EZB-Präsident legte im November nach. "Die Märkte müssen stärker auf mich als auf andere hören", sagte er, nachdem sich Ratsmitglieder vor einer Zinssenkung einmal mehr widersprochen hatten. Der klar formulierte Führungsanspruch ihres Präsidenten soll der Bank ebenso helfen wie der Beschluss, nur noch alle vier statt zwei Wochen über die Zinsen zu entscheiden. Mit zwölf Zinstreffen nähert sie sich zudem der US-Fed an, deren Rat sich zehnmal im Jahr trifft.
Dennoch sind die Unterschiede zwischen der amerikanischen und der europäischen Notenbank gewaltig. Das fängt bei der Kommunikation an. Der heute 75-jährige Greenspan, der seit 1987 die amerikanische Geldpolitik verantwortet - fünfmal länger, als es die EZB überhaupt gibt -, sprach zu Beginn seiner Amtszeit alles andere als klare Worte. Das brachte ihm den Beinamen "Orakel" ein. Stolz sagte er einmal über sich selbst: "Ich murmele mit großer Inkohärenz." Und als ihm ein US-Senator entgegnete, er habe verstanden, was der mächtigste Notenbanker der Welt sagen wollte, antwortete dieser: "Dann muss ich mich falsch ausgedrückt haben." Heute hat Greenspan diese Spielchen nicht mehr nötig. Die Fed ist Greenspan, und der macht per Definition alles richtig. Es käme ihm nicht in den Sinn, alle vier Wochen eine Pressekonferenz abzuhalten und sich Fangfragen auszusetzen. Wenn Greenspan der Öffentlichkeit etwas mitteilen möchte, greift er auf eine Hand voll Journalisten zurück, die er mit exklusiven Informationen versorgt. So erfuhr die Welt am 2. Januar dieses Jahres aus dem Wall Street Journal, dass führende Notenbanker sich um die Konjunktur sorgten und Zinssenkungen außerhalb des normalen Turnus diskutierten. Einen Tag später setzten diese ein.
Fed und EZB - das bleiben zwei Welten. Die Fed soll für stabile Preise und Vollbeschäftigung gleichzeitig sorgen. Die EZB dagegen hat nicht zuerst auf Wachstum zu achten. Viel bedeutender ist es, die Inflation im Zaum zu halten. Dieser gesetzliche Auftrag ist ein Erbe der Bundesbank. Von panischer Inflationsangst getrieben, drückte sie beim Aufbau der EZB das Primat der Preisstabilität durch. Deshalb sind Europas Geldpolitiker mit Zinserhöhungen auch schneller bei der Hand als mit Zinssenkungen. Zwar können Duisenberg und Co. an ihrem Auftrag nichts ändern, anders jedoch sieht es bei der Definition von Preisstabilität aus. Hier haben sich die Eurobanker selbst auf das niedrige Ziel von "unter 2 Prozent" festgelegt - eine Falle, die die Fed geschickt umgeht. Die geldpolitische Strategie teilt Greenspan erst gar nicht mit, geschweige denn, dass er sich auf eine anvisierte Inflations- oder Arbeitslosenrate festnageln lässt.
Die EZB muss das Unmögliche möglich machen: eine wahrhaft europäische Geldpolitik zu betreiben. Weil nationale Interessen keine Rolle spielen sollen, hat Duisenberg "Konsens" verordnet. Die geldpolitischen Entscheidungen fallen nicht per Abstimmung, vielmehr diskutieren die 18 Ratsmitglieder so lange, bis sich eine klare Mehrheit für oder gegen einen Zinsschritt abzeichnet.
Das oberste Entscheidungsgremium besteht aus den zwölf nationalen Notenbankpräsidenten und sechs EZB-Direktoren. Wenn die Banker tagen - in der Regel am ersten Donnerstag jeden Monats -, spricht zuerst Chefvolkswirt Issing. Er beurteilt die konjunkturelle Lage und schließt mit einer Empfehlung. Manchmal widerspricht Duisenberg ihm sofort. Meist aber kommentieren schon die nationalen Notenbankchefs Issings Einschätzung, oder sie geben einfach nur ein vorbereitetes Statement ab. Eine feste Reihenfolge gibt es nicht. Die Rolle des Vorlauten übernimmt der niederländische Zentralbankchef Nout Wellink, der gefragt oder ungefragt seine Meinung kundtut. Zwar verlaufen die Argumente pro und kontra Zinsänderung nicht entlang nationaler Linien - allerdings lassen sich die jeweiligen Interessen zwischen den Daten zur Kreditvergabe der Banken und der Prognose zum Ölpreis elegant kaschieren. Ganz klar: Bevor die EZB handelt, wird diskutiert. Ausgiebig.
Dabei wird am Morgen in der Regel nur die Debatte vom Abendessen fortgesetzt. Jene Zentralbankchefs, die schon am Mittwoch in Frankfurt sind, speisen gemeinsam. Hier gibt es ein Ritual: Duisenberg erteilt immer seinem zufälligen Tischnachbarn das Wort. Danach gibt jeder seine neueste Theorie zum Besten, und zwar der Reihe nach. Am Donnerstag entscheidet Duisenberg, wann die Diskussion beendet ist. Der EZB-Präsident definiert, ob der viel beschworene Konsens herrscht. Das kann bei vier Abweichlern sein, vielleicht auch bei sechs.
Längst hat das Imageproblem der EZB auch die Wissenschaft erreicht. Die EZB sei überhaupt keine Notenbank, behaupten die Bremer Zentralbanktheoretiker Gunnar Heinsohn und Otto Steiger: Sie gebe nämlich keine Banknoten heraus, das machen auch weiterhin die nationalen Notenbanken, also Bundesbank oder Banque de France. "Die Zentrale ist schwach, die Macht liegt bei den nationalen Notenbanken", sagt Steiger und verweist auf das Stimmenverhältnis im Rat: sechs EZB-Direktoren zu zwölf Notenbankpräsidenten - die Zentrale kann sich gegen die nationalen Vertreter schon von der Kopfzahl her nicht durchsetzen. Bei der Fed lautet das Verhältnis sieben zu fünf. Auch die zwölf Ausschüsse, die die Entscheidungen im EZB-Rat vorbereiten, werden von den nationalen Zentralbanken dominiert. Das Eurosystem ist so dezentral und egalitär wie kein zweites Notenbanksystem der Welt. "Wir wollen als eine Institution angesehen werden, sind aber 13 Zentralbanken", klagt ein hoher Mitarbeiter im Frankfurter Eurotower.
Wenn es in der Geschichte schon mal ein vergleichbares, föderales System gegeben hat, dann war es das US-Modell vor 1935, sagt Steiger. Erst nach der größen amerikanischen Bankenkrise, die die Schwächen des föderalen Systems offen zutage treten ließ, wurde es zentralisiert. Im Eurosystem stehen die nationalen Notenbanken in Kontakt mit den Geschäftsbanken. Die EZB trifft nur die Entscheidung, wie viel Geld von welcher Notenbank an die Banken verliehen werden darf.
Und das ist nicht die einzige Schwäche des Eurosystems. Es fehlt ein lender of last resort: Wer springt im Notfall in die Bresche und rettet, was noch zu retten ist? Bislang kann die EZB angeschlagenen Banken kein Geld geben. Es gibt zwar einen Ausschuss für die Bankenaufsicht bei der EZB. Ob dieser rasch genug handeln kann, wird bezweifelt. In den Tagen nach dem 11. September hat das Eurosystem zwar erstmals bewiesen, dass es unter Stress bestehen kann. Der Test im Falle einer Bankenkrise steht aber noch aus.
Trotz aller Kritik an den behäbigen Prozeduren: Zwölfmal hat die EZB seit Januar 1999 bereits den Zinssatz geändert. Die Inflation haben die Eurobanker im Griff, der Euro hat sich seit mehr als einem Jahr auf niedrigem Niveau stabilisiert. Duisenberg ist nicht Greenspan. Aber das kann auch von Vorteil sein. Wenn Greenspan abtritt, weiß niemand, welche Geldpolitik der Neue an der Spitze der Fed betreiben wird. Legt Duisenberg dagegen sein Amt im nächsten oder übernächsten Jahr vorzeitig nieder, steht eben ein Franzose dem Frankfurter Debattierklub vor. Wenn der Mythos Greenspan verblasst, werden sich Händler, Analysten und Anleger der EZB objektiv nähern. Dann kann sie beweisen, dass sie besser als ihr Ruf ist. Greenspans vierte Amtszeit endet am 20. Juni 2004.
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Euro fällt/ Finanzkrise in der Türkei
Der Euro befindet sich im Fall. Händler sehen einen Zusammenhang mit der Entscheidung der türkischen Regierung, die Wechselkursbindung für die Lira aufzugeben.
Krise: Die Gemeinschaftswährung notierte um 8.25 Uhr bei 0,9085 US-Dollar. Ein US-Dollar kostete damit 2,1530 Mark. Die Europäische Zentralbank (EZB) hatte am Mittwoch den Referenzkurs auf 0,9146 US-Dollar festgesetzt.
Die Türkei hat am Donnerstag den Wechselkurs der Landeswährung Lira freigegeben, um die Krise der türkischen Finanzmärkte in den Griff zu bekommen. Damit wird mit Beginn des Handels am Donnerstag die bisherige Bindung an einen Korb wichtiger Währungen, wie Dollar und Euro, aufgegeben.
Analysten rechnen nach der Freigabe des Lira-Kurses mit einer Abwertung der türkischen Währung zwischen 30 und 40 Prozent und einen deutlichen Rückgang der Geldmarktzinsen auf weniger als 100 Prozent. Händler schlossen nicht aus, dass der Euro im Tagesverlauf Unterstützung erhalten könnte, wenn weitere Lira-Positionen abgebaut werden. Im Fernen Osten hatte der Euro in Reaktion auf die Freigabe des Lira-Kurses zunächst nachgeben. Der Internationale Währungsfonds (IWF) begrüßte die Freigabe der Lira und kündigte neue Gespräche mit der Regierung in Ankara für diese Woche an.
Die Talfahrt an den türkischen Finanzmärkten hatte sich am Mittwoch trotz der Beschwichtigungsversuche seitens der Regierung nach dem Streit in der türkischen Staatsführung fortgesetzt. Die türkischen Aktien- und Rentenmärkte rutschten deutlich ins Minus. Am Geldmarkt schnellten die Sätze erneut in die Höhe. Ausgelöst wurden die Finanzmarkt-Turbulenzen zum Wochenbeginn durch einen Streit zwischen Ministerpräsident Ecevit und dem türkischen Präsidenten Necdet Sezer. Ecevit hatte am Montag vorzeitig ein Treffen des einflussreichen Nationalen Sicherheitsrats verlassen und vor Reportern in Ankara gesagt, er sei vom Präsidenten beleidigt worden. Ecevit hatte von einer „schweren Krise“ im Verhältnis zum Präsidenten gesprochen.
Die türkische Zentralbank kündigte unterdessen eine straffe Geldpolitik an, um den Kampf gegen die Inflation fortzusetzen. Die Notenbank werde eine aktive Rolle bei der Schaffung stabiler Verhältnisse an den Finanzmärkten übernehmen, wo die Schlüsselzinsen während der letzten Tage im Zuge der Flucht in den Dollar auf bis zu 5000 Prozent in die Höhe geschnellt waren.
IWF-Chef Horst Köhler sagte in einer Stellungnahme zur Freigabe des Lira-Kurses: „Der IWF unterstützt die Entscheidung der türkischen Behörden zur Freigabe der Lira. Wir begrüßen die Ziele der türkischen Regierung, die eine Eindämmung der Inflation und die Sicherung eines stabilen Wachstums einschließen“. Die Türkei sei noch immer dem mit dem Fonds vereinbarten Wirtschaftsprogramm einschließlich fiskalischer Anpassungen verpflichtet. Ein strikter haushaltspolitischer Kurs sollte bei der Stabilisierung des Wechselkurses helfen und sicherstellen, dass nach einiger Zeit die Inflation zurückgeht
Es wird bitterkalt werden in der Zukunft. Zustände, wie in Italien zum IWF-Gipfel werden die nächsten Jahre bestimmen...dem Großkapitals ist es egal.
Anbei ein wenig Material zum Nachdenken...
In diesem Sinne ein fröhliches Weihnachtsfest und einen guten Rutsch....
proxi
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ftd.de, Mi, 19.12.2001, 7:31
IWF übt scharfe Kritik an Argentinien
Der Internationale Währungsfonds (IWF) hat die argentinische Wirtschaftspolitik scharf kritisiert. In der Hauptstadt Buenos Aires wurden in der Nacht zu Mittwoch Geschäfte geplündert und Straßenbarrikaden errichtet.
Der IWF-Chefökonom Kenneth Rogoff sagte am Dienstag in Washington, die Mischung aus Steuerpolitik, Schulden und Wechselkurs sei eindeutig nicht tragbar. Zu Details der argentinischen Politik äußerte er sich nicht. Der IWF hatte zu Monatsbeginn bereits einen Kredit von 1,3 Mrd. $ zurückgehalten, weil Argentinien das vereinbarte Haushaltsziel nicht erreicht hatte. Der argentinische Finanzminister Guillermo Mondino sagte in Uruguay, Buenos Aires sei auf das Geld zur Schuldentilgung dringend angewiesen.
Nach einer mittlerweile vier Jahre währenden Rezession leidet das Land unter starker Deflation, hoher Arbeitslosigkeit und einem Abfall der Industrieproduktion innerhalb eines Jahres um elf Prozent. Die Schulden des Landes belaufen sich auf 132 Mrd. $. Wirtschaftsminister Domingo Cavallo kündigte am Montag an, die öffentlichen Ausgaben für das kommende Jahr von 49 auf 39,6 Mrd. $ zu kürzen. Präsident Fernando de la Rua rief im Kongress alle Parteien dazu auf, den Sparhaushalt der Regierung aus Patriotismus zu unterstützen.
Einige Verletzte
In Buenos Aires haben sich arbeitslose Demonstranten und Polizisten in der Nacht zu Mittwoch heftige Auseinandersetzungen geliefert. Fernsehberichten zufolge errichteten die Demonstranten in den verarmten Vororten Moreno und San Miguel Straßenbarrikaden aus brennenden Autoreifen und plünderten mindestens ein Geschäft. Da die größeren Supermärkte schon den Tag über von der Polizei vor zornigen Bürgern geschützt wurden, brachen die überwiegend jungen Leute in kleinere Geschäfte ein. Im Fernsehen waren aufgebrachte Menschen zu sehen, die triumphierend rohe Steaks oder eine Jeans in die Höhe reckten. Die Polizei ging mit Tränengas und Knüppeln gegen die Protestierenden vor. Dabei wurden einige Menschen verletzt. Die Demonstranten riefen "Wir haben Hunger, wir wollen essen".
Die Regierung räumte angesichts einer Rekordarbeitslosigkeit von mehr als 18 Prozent und keiner Arbeitslosenunterstützung "soziale Spannungen" ein. Präsident de la Rua, dem es in seinen ersten zwei Amtsjahren nicht gelungen ist, die von seinem Vorgänger Carlos Menem übernommene Wirtschaftskrise zu beenden, sah jedoch "keinen Anlass zur Beunruhigung". Schon in den vergangenen Tagen war es in verschiedenen Provinzen des hochverschuldeten Landes zu Plünderungen gekommen. Die Regierung kündigte die Verteilung kostenloser Lebensmittelpakete an. Zu Plünderungen größeren Ausmaßes war es zuletzt es Ende der 80er Jahre gekommen.
© 2001 Financial Times Deutschland
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Argentinien setzt Zahlungen aus
Einführung einer Parallelwährung
Buenos Aires, 23. Dez. (Reuters) Argentiniens neu gewählter Präsident Adolfo Rodriguez Saa hat am Sonntag unmittelbar nach seiner Wahl durch den argentinischen Kongress eine Aussetzung der Schuldendienstzahlungen seines Landes angekündigt. «Ich mache bekannt, dass der argentinische Staat die Bezahlung seiner Auslandschulden aussetzen wird. Dies ist keine Ablehnung der Schuldendienstleistungen . . . aber ein erster Schritt einer rationalen Regierung in der Behandlung der Schuldendienstzahlungen auf Auslandverbindlichkeiten», sagte Saa nach seiner Vereidigung als Präsident. «Die internationalen Märkte werden reagieren, weil wir mit ihnen verhandeln werden.» Saa, der das Amt des Präsidenten bis zu Neuwahlen am 3. März innehaben wird, kündigte weiter an, er werde die Landeswährung Peso, die seit zehn Jahren im Verhältnis von 1 zu 1 an den US-Dollar gebunden ist, nicht abwerten, und er plane auch keine Dollarisierung der argentinischen Wirtschaft. Allerdings wolle er neben dem Peso eine neue Währung einführen.
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E U R O P Ä I S C H E Z E N T R A L B A N K
Zentrale ohne Macht
Duisenberg contra Greenspan: Warum die Europäische Zentralbank schwach ist - und die US-Notenbank so stark
Von Robert von Heusinger
Das rote Telefon der Europäischen Zentralbank ist in Wirklichkeit weiß. Unscheinbar und klein steht es auf dem Schreibtisch von Francesco Papadia. Wenn es ernst wird und Geheimhaltung zählt, greift der Chefhändler der EZB zum weißen Hörer und hat sofort seine Kollegen der nationalen Notenbanken an der Strippe. Aus seinem Büro im Frankfurter Eurotower koordiniert Papadia die Eingriffe der EZB in den Markt, versorgt die Banken mit Geld oder handelt mit Devisen.
So wie am 11. September: Nach den Terroranschlägen in den USA drohte der Weltwirtschaft das Geld auszugehen - die amerikanischen Banken waren wie gelähmt. Vier Stunden telefonierte Papadia mit den Notenbankern in Rom, Paris oder Brüssel, er redete auf seine Kollegen ein. Dann stand fest: Die EZB würde Geld in den Markt pumpen, am 12. September allein 69 Milliarden Euro. Weil die Geschäftsbanken auch Dollar brauchten, vereinbarte Papadia später noch ein Tauschgeschäft mit der US-Notenbank: Zum ersten Mal in ihrer erst dreijährigen Geschichte verlieh die EZB eine fremde Währung - diese Aufgabe ist in ihren Statuten gar nicht vorgesehen.
Ihr schnelles Handeln brachte der Zentralbank bei Händlern, Analysten und Politikern viel Lob ein. Es war das einzige Lob im ganzen Jahr. Ansonsten hagelte es Kritik: Die EZB senke die Zinsen zu langsam, stimuliere die schwächelnde Konjunktur zu wenig und kommuniziere ihre Geldpolitik auch noch schlecht. Tatsächlich sind die Lenker der zweitwichtigsten Notenbank der Welt manchmal übervorsichtig. Schließlich gibt es die EZB erst seit drei Jahren. Und nie zuvor gab es eine Währungsunion ohne politische Union.
Ihr eigentliches Problem aber heißt Alan Greenspan. Es ist der Chef der US-Notenbank Federal Reserve, an dem die Eurobanker gemessen werden - und diesen Vergleich verlieren sie. Regelmäßig. Da mag EZB-Chef Wim Duisenberg noch so locker auftreten, vier Sprachen sprechen und in Ratssitzungen den einzelnen Notenbankpräsidenten für ihre öffentlichen Äußerungen auch schon mal die Leviten lesen: Devisenhändler und Volkswirte halten von der Arbeit des Niederländers nicht viel. Solange Alan Greenspan amtiert, wird sich das kaum ändern.
Die Europäische Zentralbank ist unberechenbar, klagen die professionellen und hoch bezahlten Beobachter in den Banken. Nur jedem dritten Experten gelang es im laufenden Jahr am Tag vor einer Zinsentscheidung, diese richtig vorherzusagen. Dagegen wurden die Entscheidungen Greenspans von den Fed-Beobachtern zu 86 Prozent richtig getippt. Das ist deshalb so wichtig, weil Banken auf Zinsentscheidungen spekulieren.
Unvergessen ist der 11. April 2001. Die Wetten lauteten auf Zinssenkung, vor allem, weil zwei der wichtigsten Stimmen im Rat, EZB-Chefvolkswirt Otmar Issing und der französische Notenbankchef Jean-Claude Trichet, in Interviews deutliche Hinweise auf eine bevorstehende Senkung gegeben hatten. Doch nichts passierte. Später erklärte Duisenberg, dass die Inflation weiter Anlass zur Sorge gebe. Die EZB-Beobachter folgerten, die Zinsen würden frühestens im Sommer gesenkt. Dann kam der 10. Mai, wieder eine Ratssitzung - und prompt senkte Duisenbergs Truppe die Zinsen. Die Wut der Händler, die das zweite Mal in Folge verkehrt lagen und dabei Geld verloren, war der EZB sicher.
Also schimpfen die Analysten auf Duisenberg, und die EZB wundert sich, warum sie ihre Strategie nicht vermitteln kann. Dabei ist gerade das einfach zu erklären: Die 18 Ratsmitglieder entscheiden nicht nur über die Zinsen, sondern reden auch viel - in ihren Heimatländern und gegenüber der Presse. Oft widersprechen sie sich dabei. Niemand weiß, wessen Worten man lauschen soll. Wer ist Mister EZB?
Das Hin und Her in der Zinsfrage zeigt eine weitere Schwäche der EZB: Sie orientiert sich gleich an zwei Größen, an der Entwicklung der Geldmenge und an der Inflation. Wie aber entscheiden die Banker, wenn die Geldmenge höhere und die Inflationsrate niedrigere Zinsen gebietet? Die Zweisäulenstrategie lässt den Zentralbankern mehr Spielraum, als Beobachtern lieb ist.
Die ganze Wahrheit ist das nicht. Der EZB-Fachmann einer US-Investmentbank vermutet hinter der Kommunikationspanne vom Frühjahr eine Machtprobe zwischen Duisenberg und seinem Chefvolkswirt Issing. "Duisenberg wollte intern demonstrieren, wer der Herr über Eurolands Geldpolitik ist." Der EZB-Präsident legte im November nach. "Die Märkte müssen stärker auf mich als auf andere hören", sagte er, nachdem sich Ratsmitglieder vor einer Zinssenkung einmal mehr widersprochen hatten. Der klar formulierte Führungsanspruch ihres Präsidenten soll der Bank ebenso helfen wie der Beschluss, nur noch alle vier statt zwei Wochen über die Zinsen zu entscheiden. Mit zwölf Zinstreffen nähert sie sich zudem der US-Fed an, deren Rat sich zehnmal im Jahr trifft.
Dennoch sind die Unterschiede zwischen der amerikanischen und der europäischen Notenbank gewaltig. Das fängt bei der Kommunikation an. Der heute 75-jährige Greenspan, der seit 1987 die amerikanische Geldpolitik verantwortet - fünfmal länger, als es die EZB überhaupt gibt -, sprach zu Beginn seiner Amtszeit alles andere als klare Worte. Das brachte ihm den Beinamen "Orakel" ein. Stolz sagte er einmal über sich selbst: "Ich murmele mit großer Inkohärenz." Und als ihm ein US-Senator entgegnete, er habe verstanden, was der mächtigste Notenbanker der Welt sagen wollte, antwortete dieser: "Dann muss ich mich falsch ausgedrückt haben." Heute hat Greenspan diese Spielchen nicht mehr nötig. Die Fed ist Greenspan, und der macht per Definition alles richtig. Es käme ihm nicht in den Sinn, alle vier Wochen eine Pressekonferenz abzuhalten und sich Fangfragen auszusetzen. Wenn Greenspan der Öffentlichkeit etwas mitteilen möchte, greift er auf eine Hand voll Journalisten zurück, die er mit exklusiven Informationen versorgt. So erfuhr die Welt am 2. Januar dieses Jahres aus dem Wall Street Journal, dass führende Notenbanker sich um die Konjunktur sorgten und Zinssenkungen außerhalb des normalen Turnus diskutierten. Einen Tag später setzten diese ein.
Fed und EZB - das bleiben zwei Welten. Die Fed soll für stabile Preise und Vollbeschäftigung gleichzeitig sorgen. Die EZB dagegen hat nicht zuerst auf Wachstum zu achten. Viel bedeutender ist es, die Inflation im Zaum zu halten. Dieser gesetzliche Auftrag ist ein Erbe der Bundesbank. Von panischer Inflationsangst getrieben, drückte sie beim Aufbau der EZB das Primat der Preisstabilität durch. Deshalb sind Europas Geldpolitiker mit Zinserhöhungen auch schneller bei der Hand als mit Zinssenkungen. Zwar können Duisenberg und Co. an ihrem Auftrag nichts ändern, anders jedoch sieht es bei der Definition von Preisstabilität aus. Hier haben sich die Eurobanker selbst auf das niedrige Ziel von "unter 2 Prozent" festgelegt - eine Falle, die die Fed geschickt umgeht. Die geldpolitische Strategie teilt Greenspan erst gar nicht mit, geschweige denn, dass er sich auf eine anvisierte Inflations- oder Arbeitslosenrate festnageln lässt.
Die EZB muss das Unmögliche möglich machen: eine wahrhaft europäische Geldpolitik zu betreiben. Weil nationale Interessen keine Rolle spielen sollen, hat Duisenberg "Konsens" verordnet. Die geldpolitischen Entscheidungen fallen nicht per Abstimmung, vielmehr diskutieren die 18 Ratsmitglieder so lange, bis sich eine klare Mehrheit für oder gegen einen Zinsschritt abzeichnet.
Das oberste Entscheidungsgremium besteht aus den zwölf nationalen Notenbankpräsidenten und sechs EZB-Direktoren. Wenn die Banker tagen - in der Regel am ersten Donnerstag jeden Monats -, spricht zuerst Chefvolkswirt Issing. Er beurteilt die konjunkturelle Lage und schließt mit einer Empfehlung. Manchmal widerspricht Duisenberg ihm sofort. Meist aber kommentieren schon die nationalen Notenbankchefs Issings Einschätzung, oder sie geben einfach nur ein vorbereitetes Statement ab. Eine feste Reihenfolge gibt es nicht. Die Rolle des Vorlauten übernimmt der niederländische Zentralbankchef Nout Wellink, der gefragt oder ungefragt seine Meinung kundtut. Zwar verlaufen die Argumente pro und kontra Zinsänderung nicht entlang nationaler Linien - allerdings lassen sich die jeweiligen Interessen zwischen den Daten zur Kreditvergabe der Banken und der Prognose zum Ölpreis elegant kaschieren. Ganz klar: Bevor die EZB handelt, wird diskutiert. Ausgiebig.
Dabei wird am Morgen in der Regel nur die Debatte vom Abendessen fortgesetzt. Jene Zentralbankchefs, die schon am Mittwoch in Frankfurt sind, speisen gemeinsam. Hier gibt es ein Ritual: Duisenberg erteilt immer seinem zufälligen Tischnachbarn das Wort. Danach gibt jeder seine neueste Theorie zum Besten, und zwar der Reihe nach. Am Donnerstag entscheidet Duisenberg, wann die Diskussion beendet ist. Der EZB-Präsident definiert, ob der viel beschworene Konsens herrscht. Das kann bei vier Abweichlern sein, vielleicht auch bei sechs.
Längst hat das Imageproblem der EZB auch die Wissenschaft erreicht. Die EZB sei überhaupt keine Notenbank, behaupten die Bremer Zentralbanktheoretiker Gunnar Heinsohn und Otto Steiger: Sie gebe nämlich keine Banknoten heraus, das machen auch weiterhin die nationalen Notenbanken, also Bundesbank oder Banque de France. "Die Zentrale ist schwach, die Macht liegt bei den nationalen Notenbanken", sagt Steiger und verweist auf das Stimmenverhältnis im Rat: sechs EZB-Direktoren zu zwölf Notenbankpräsidenten - die Zentrale kann sich gegen die nationalen Vertreter schon von der Kopfzahl her nicht durchsetzen. Bei der Fed lautet das Verhältnis sieben zu fünf. Auch die zwölf Ausschüsse, die die Entscheidungen im EZB-Rat vorbereiten, werden von den nationalen Zentralbanken dominiert. Das Eurosystem ist so dezentral und egalitär wie kein zweites Notenbanksystem der Welt. "Wir wollen als eine Institution angesehen werden, sind aber 13 Zentralbanken", klagt ein hoher Mitarbeiter im Frankfurter Eurotower.
Wenn es in der Geschichte schon mal ein vergleichbares, föderales System gegeben hat, dann war es das US-Modell vor 1935, sagt Steiger. Erst nach der größen amerikanischen Bankenkrise, die die Schwächen des föderalen Systems offen zutage treten ließ, wurde es zentralisiert. Im Eurosystem stehen die nationalen Notenbanken in Kontakt mit den Geschäftsbanken. Die EZB trifft nur die Entscheidung, wie viel Geld von welcher Notenbank an die Banken verliehen werden darf.
Und das ist nicht die einzige Schwäche des Eurosystems. Es fehlt ein lender of last resort: Wer springt im Notfall in die Bresche und rettet, was noch zu retten ist? Bislang kann die EZB angeschlagenen Banken kein Geld geben. Es gibt zwar einen Ausschuss für die Bankenaufsicht bei der EZB. Ob dieser rasch genug handeln kann, wird bezweifelt. In den Tagen nach dem 11. September hat das Eurosystem zwar erstmals bewiesen, dass es unter Stress bestehen kann. Der Test im Falle einer Bankenkrise steht aber noch aus.
Trotz aller Kritik an den behäbigen Prozeduren: Zwölfmal hat die EZB seit Januar 1999 bereits den Zinssatz geändert. Die Inflation haben die Eurobanker im Griff, der Euro hat sich seit mehr als einem Jahr auf niedrigem Niveau stabilisiert. Duisenberg ist nicht Greenspan. Aber das kann auch von Vorteil sein. Wenn Greenspan abtritt, weiß niemand, welche Geldpolitik der Neue an der Spitze der Fed betreiben wird. Legt Duisenberg dagegen sein Amt im nächsten oder übernächsten Jahr vorzeitig nieder, steht eben ein Franzose dem Frankfurter Debattierklub vor. Wenn der Mythos Greenspan verblasst, werden sich Händler, Analysten und Anleger der EZB objektiv nähern. Dann kann sie beweisen, dass sie besser als ihr Ruf ist. Greenspans vierte Amtszeit endet am 20. Juni 2004.
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Euro fällt/ Finanzkrise in der Türkei
Der Euro befindet sich im Fall. Händler sehen einen Zusammenhang mit der Entscheidung der türkischen Regierung, die Wechselkursbindung für die Lira aufzugeben.
Krise: Die Gemeinschaftswährung notierte um 8.25 Uhr bei 0,9085 US-Dollar. Ein US-Dollar kostete damit 2,1530 Mark. Die Europäische Zentralbank (EZB) hatte am Mittwoch den Referenzkurs auf 0,9146 US-Dollar festgesetzt.
Die Türkei hat am Donnerstag den Wechselkurs der Landeswährung Lira freigegeben, um die Krise der türkischen Finanzmärkte in den Griff zu bekommen. Damit wird mit Beginn des Handels am Donnerstag die bisherige Bindung an einen Korb wichtiger Währungen, wie Dollar und Euro, aufgegeben.
Analysten rechnen nach der Freigabe des Lira-Kurses mit einer Abwertung der türkischen Währung zwischen 30 und 40 Prozent und einen deutlichen Rückgang der Geldmarktzinsen auf weniger als 100 Prozent. Händler schlossen nicht aus, dass der Euro im Tagesverlauf Unterstützung erhalten könnte, wenn weitere Lira-Positionen abgebaut werden. Im Fernen Osten hatte der Euro in Reaktion auf die Freigabe des Lira-Kurses zunächst nachgeben. Der Internationale Währungsfonds (IWF) begrüßte die Freigabe der Lira und kündigte neue Gespräche mit der Regierung in Ankara für diese Woche an.
Die Talfahrt an den türkischen Finanzmärkten hatte sich am Mittwoch trotz der Beschwichtigungsversuche seitens der Regierung nach dem Streit in der türkischen Staatsführung fortgesetzt. Die türkischen Aktien- und Rentenmärkte rutschten deutlich ins Minus. Am Geldmarkt schnellten die Sätze erneut in die Höhe. Ausgelöst wurden die Finanzmarkt-Turbulenzen zum Wochenbeginn durch einen Streit zwischen Ministerpräsident Ecevit und dem türkischen Präsidenten Necdet Sezer. Ecevit hatte am Montag vorzeitig ein Treffen des einflussreichen Nationalen Sicherheitsrats verlassen und vor Reportern in Ankara gesagt, er sei vom Präsidenten beleidigt worden. Ecevit hatte von einer „schweren Krise“ im Verhältnis zum Präsidenten gesprochen.
Die türkische Zentralbank kündigte unterdessen eine straffe Geldpolitik an, um den Kampf gegen die Inflation fortzusetzen. Die Notenbank werde eine aktive Rolle bei der Schaffung stabiler Verhältnisse an den Finanzmärkten übernehmen, wo die Schlüsselzinsen während der letzten Tage im Zuge der Flucht in den Dollar auf bis zu 5000 Prozent in die Höhe geschnellt waren.
IWF-Chef Horst Köhler sagte in einer Stellungnahme zur Freigabe des Lira-Kurses: „Der IWF unterstützt die Entscheidung der türkischen Behörden zur Freigabe der Lira. Wir begrüßen die Ziele der türkischen Regierung, die eine Eindämmung der Inflation und die Sicherung eines stabilen Wachstums einschließen“. Die Türkei sei noch immer dem mit dem Fonds vereinbarten Wirtschaftsprogramm einschließlich fiskalischer Anpassungen verpflichtet. Ein strikter haushaltspolitischer Kurs sollte bei der Stabilisierung des Wechselkurses helfen und sicherstellen, dass nach einiger Zeit die Inflation zurückgeht