Dem Trend und seinen gewinnbringenden Eigenschaften gilt es also in erster Linie auf die Spur zu kommen. Und dazu bietet uns die Technische Analyse die geeigneten Werkzeuge. Das Ziel ist klar definiert: Einen neuen Aufwärtstrend möglichst früh, aber dennoch methodisch sicher identifizieren, dann so lange wie möglich an dem Aufwärtstrend partizipieren und schließlich rechtzeitig wieder den Absprung finden. Mit der Technischen Analyse ist es gar nicht schwer, in diesen Disziplinen erfolgreich zu sein. Zumal "die Rally" die am leichtesten zu identifizierende Marktphase ist! (Später im Methodik-Kurs mehr dazu). Das hört sich einfach an und trotzdem lassen viele Marktteilnehmer die schönsten Rallys immer wieder aus.
Warum? Die Gründe dafür sind, wie so oft, im mentalen oder tradingpsychologischen Bereich zu suchen. Selbst die stärksten Trends werden immer wieder von Seitwärtskonsoldierungen oder auch schärferen Korrekturen unterbrochen. Wechselt ein Markt nach einer starken Trendphase in eine Seitwärtskonsolidierung, dann wird dieser Trendwechsel meistens zu spät realisiert. Viele Marktteilnehmer denken aus Gewohnheit nur an eine kurze Pause. Viel zu früh setzen sie auf die Wiederaufnahme der Rally, und das bringt ein ums andere Mal eine Enttäuschung. Der Glaube an die Rally geht mit der Zeit verloren. Wenn die Zermürbung dann irgendwann ihren Höhepunkt erreicht hat, entsteht wieder eine neue Trendphase. Aber der Glaube an und der Bezug zur Rally sind ja inzwischen verlorengegangen. Die Folge? Viel zu frühes Aussteigen aus dem neuen Trend und damit das Auslassen der größten Chancen. Und das Ganze kennt natürlich noch eine Steigerung: Wenn es, wiederum aus Gewohnheit, gar nicht mehr anders geht, dann wird schließlich in Topnähe eingestiegen. Ja, das ist das klassische Verliererprofil! Aber das muss nicht sein. Wer sich nur mit den Grundbausteinen der Technischen Analyse befasst, wird sehr schnell in der Lage sein, gar nicht erst in die aufgezählten Schwierigkeiten zu geraten.
Zunächst zwei Grundsätze: 1.) Ist ein Trend erst einmal entstanden und definierbar, dann bleiben Sie ihm grundsätzlich treu bis zum Beweis des Gegenteils - oder: Ein Trend existiert so lange, bis er bricht! Das hört sich banal an. Aber wie wertvoll dieser Grundsatz ist, zeigt beispielsweise die DAX-Hausse von 11/97 bis 07/98. Wer dem Trend gefolgt ist, der ist bis ganz oben mitgefahren! Der Trend wurde zwischenzeitlich nie gebrochen. Die mentale Frage stellte sich nie, da sie von der methodischen abgelöst wurde. Auch bei dem DAX-Hausseschub riet ich zu konsequenter Trendtreue, was sich ausgezahlt hat.
2.) Der stärkste Trend geht einmal zu Ende, und bei aller Trendtreue kommt es natürlich auch darauf an, den rechtzeitigen Absprung zu finden. Das heißt: Wenn es irgendwann tatsächlich zu dem Trendbruch kommt, dann lohnt eines nicht, das Prinzip Hoffnung! Dann ist schnelles und konsequentes Aussteigen gefragt, um nicht in einen Korrekturstrudel zu geraten, wie er derzeit statt findet. Die Botschaften der Technischen Analyse kommen meistens sehr früh, und die Trendbruch-Signale sind leicht zu erkennen. Oft reicht die Kenntnis des Regelwerks aber nicht aus, weil es an einer disziplinierten Umsetzung hapert. Auch das muss trainiert werden!
Wie entsteht ein Trend?Bevor wir von so einem Gewinn bringenden Aufwärtstrend wie beim DAX
<.GDAXI> 1998 profitieren können, besteht die erste Aufgabe darin, den neu entstandenen Aufwärtstrend als solchen zu identifizieren und zu definieren. Wie das geht, sehen Sie an der schematischen Darstellung. Ein Trend wird definiert durch die Verbindung von ansteigenden Reaktionstiefs. Um einen Aufwärtstrend definieren zu können, benötigen wir also mindestens zwei Reaktionstiefs, wobei das zweite (3) höher liegt als das erste (1). Doch das genügt noch nicht ganz. Um wirklich von einem Aufwärtstrend sprechen zu können, muss nach dem zweiten Reaktionstief (3) erst noch das vorangegangene Hoch (2) überschritten werden. Erst dann steht das zweite Reaktionstief nämlich als solches fest. Meistens ist es auch dann noch früh genug, um in den neuen Trend einzusteigen. Vor allem handelt es sich ab diesem Punkt nicht mehr um irgendeinen Verdacht, sondern um erste methodische Fakten. Zudem kann man ab da den ansteigenden Longstop in Form des Aufwärtstrends klar definieren und die Risiken damit begrenzen. Das Überschreiten des letzen Hochs (2) reflektiert unter Timing-Aspekten das bestmögliche Chance/Risiko-Verhältnis.
Das Prinzip ist also ganz einfach. In der Praxis gibt es natürlich Tücken, die ich auch stets ansprechen möchte, um ein realistisches Bild der Möglichkeiten aber auch der methodischen Bedingungen der Technischen Analyse zu skizzieren. Was zum Beispiel ist, wenn ein Trend schon kurz nach dem Überschreiten von Hoch 2 (Sie sind gerade eingestiegen) wieder umfällt und sehr schnell den Aufwärtstrend bricht? Keine Frage, das kommt vor, und es ist nicht einmal eine Seltenheit. Trend-Definition hin, Longstop-Definition her - es kostet Geld! Was tun? Einfach am besten erst einmal akzeptieren, dass nach der Trenddefinition zwar sehr oft tatsächlich eine Gewinn bringende Trendausbildung folgt, aber es eben kein Selbstläufer ist. Die Lösung kann nur eine kluge Methodik bringen.
Der Trendbruch als Ein- und AusstiegssignalChart 1: DAX in 19981. Das KaufsignalWohl das wichtigste Signal, das die Technische Analyse kennt, ist das Trendbruch-Signal. Hier lernen wir bereits das zweite sehr wichtige technische Werkzeug kennen, das für die Beurteilung eines Trendwechsels von entscheidender Bedeutung ist. Neben der Entstehung eines neuen Trends per Definition ist es natürlich auch notwendig, dass die vorherige Abwärts- oder Seitwärtsphase erkennbar und methodisch sicher beendet ist. Im Fall einer vorangegangenen Abwärtsphase liefert uns der Bruch des Abwärtstrends das entscheidende Signal. Sobald der Abwärtstrend gebrochen wird, verschieben sich die Vorteile schlagartig - weg von der Short-Seite, hin zur Long-Seite. Der Trendbruch liefert das eigentliche charttechnische "Kaufsignal". Können wir jetzt auch noch die Entstehung eines neuen Aufwärtstrends definieren, dann sprechen schon zwei Argumente für die nachhaltige Ausbildung des Aufwärtstrends. Ich muss es wieder sagen: Auch das reicht noch nicht aus, um von einer handelbaren methodischen Sicherheit zu sprechen. Ohne den Einsatz weiterer Werkzeuge sind bis dahin lediglich die Grundvoraussetzungen für einen Trendwechsel erfüllt.
The trend is your friend. Antizipieren Sie nicht vorzeitig sein Ende. Es macht in der Regel keinen Sinn, den Tiefststand fischen zu wollen. Das klappt mal, geht aber auch sehr oft schief. Mit dieser Strategie wären Sie wahrscheinlich schon nach dem unten skizzierten Reaktionstief 4 wieder eingestiegen. Nein, das macht keinen Spaß! Deshalb ist es strategisch sinnvoller, den Trendbruch und das Kaufsignal abzuwarten, um dann prozyklisch einzusteigen. Sie erwischen die Kurse dann zwar nicht mehr ganz unten, dafür aber methodisch wesentlich sicherer und unter Timing-Aspekten oft nahezu optimal!
Chart 2: Der Aufwärtstrend2. The trend is your friendWechseln wir nun zu der rechten Grafik [Abbildung 4]. Der Aufwärtstrend entwickelt sich lange Zeit wunderbar. Es mag sein, dass es unterwegs immer wieder einmal verlockend erschien, aus der Hausse auszusteigen. Entweder aus Ungläubigkeit oder etwa aus Sorge um die bereits erzielte Performance. Methodisch hat es dagegen bis zum Hoch 8 nie einen Grund dazu gegeben! Und es ist keine Frage - der sture, methodische Trendfolgeansatz bringt die Performance, nicht der mental ängstliche. Im Zweifelsfall für den Trend! So lautet einer meiner Grundsätze. Welche methodischen Möglichkeiten die Technische Analyse hingegen für kurzfristigere Trader bietet, zwischenzeitlich tatsächlich einmal Gewinne zu realisieren, um nach einer temporären Korrektur wieder neu einzusteigen - darüber schreibe ich ein anderes Mal.
Wenn Sie auf einen gut entwickelten Aufwärtstrend noch aufspringen wollen, stellt sich natürlich die Frage nach dem idealen Einstiegspunkt und dem Timing. Die idealen Einstiegspunkte innerhalb eines Aufwärtstrends bringen natürlich diverse Tests des Aufwärtstrends. Dort antizyklisch einzusteigen, bringt wiederum das beste Chance/Risiko-Verhältnis: Hält der Trend, besitzen Sie von dort aus wieder das größtmögliche Potenzial. Und wenn es schief geht, wenn der Trend also ausgerechnet diesmal bricht (wie bei der Korrektur nach Hoch 8), dann merken Sie es immerhin sehr schnell und können mit nur geringen Verlusten wieder aussteigen. Mental ist das oft gar nicht so leicht zu bewältigen, denn nach solchen temporären Korrekturen ist die Stimmung unter den Marktteilnehmern meistens schlecht. Aber diese methodisch unterlegte Einstiegs-Strategie ist ganz zweifellos wesentlich erfolgreicher, als vor lauter Euphorie und guter Stimmung erst am Ende einer Teilrally einzusteigen. Habe ich in Sachen Trendwende eben die Vorteile der prozyklischen Signale beschrieben, so liegt der Schlüssel für ein erfolgreiches Trading in einem bestehenden Trend in der antizyklischen Vorgehensweise.
Chart 3: Bruch des Abwärtstrends3. Das VerkaufssignalEin Trend existiert so lange, bis er bricht. Auch ein Grundsatz! Aber wenn er bricht, dann ist die Botschaft auch klar, schnell, unzweideutig und sehr oft nachhaltig! Wird ein Aufwärtstrend gebrochen, dann ist er erst einmal vorbei! Natürlich gibt es Einwände: Schließlich gibt es auch Fehlsignale. Das heißt, ein Trendbruch setzt sich nicht durch, und die Kurse kehren sehr schnell in den Aufwärtstrend zurück. Am Low ausgestopt - herzlichen Glückwunsch. Manchmal sehen wir im Anschluss an einen Trendbruch auch so kurze Konsolidierungsphasen in Zeit und Ausmaß, dass man später feststellen muss, dass sich ein Ausstieg gar nicht gelohnt, sondern lediglich zu einem teureren Wiedereinstieg geführt hat. Jeder Technische Analyst hat solche Situationen schon erlebt. Und dennoch überwiegen beim Bruch eines Aufwärtstrends fast immer die Gefahren. Die Chance für eine Abwärtskorrektur ist zum Zeitpunkt des Trendbruchs am größten. Erst wenn das Verkaufssignal nicht entsprechend umgesetzt wird, ergeben sich frühestens Indizien, dass es so schlimm nicht kommen wird.
Wir werden später Mittel kennen lernen, wie wir Trendbruch-Fehlsignale herausfiltern können oder wie wir zielsicher einen wahrscheinlichen Konsolidierungsablauf prognostizieren können - das ist nicht das Problem! Zunächst rate ich aber dringend dazu, die Botschaft eines Verkaufssignals nach einem Trendbruch sehr ernst zu nehmen. Sicherlich, Sie können nicht mehr bei Höchstkursen aussteigen, was oft blockiert. Aber auf das Prinzip Hoffnung, also auf abermalige Höchstkurse nach dem Trendbruch zu setzen, ist einfach zu oft zu verlustreich. Wie schnell und heftig Anschlusskorrekturen mitunter ablaufen können, zeigt die Herbstkorrektur 1998 im DAX-Chart. Was hilft es da, dass man später unten realisiert, auf welch hohem Niveau man nach dem Verkaufssignal doch noch immer hätte verkaufen können. Nein, unten sollte die Psyche unbedingt wieder unbelastet und frei für die Konzentration auf den Wiedereinstieg sein.
Chart 4: Bruch des Aufwärtstrends4. Die SignifikanzAlso, meine Botschaft ist eindeutig: Nehmen Sie Kauf- und Verkaufssignale grundsätzlich unbedingt ernst! Schlimmstenfalls steigen Sie eben doch einmal zu früh aus. Aber an Gewinnmitnahmen ist schließlich noch niemand gestorben. Es ist ein Unterschied, ob Sie mit einem methodischen Motiv zu früh aussteigen oder ohne. Ersteres kommt ganz einfach viel seltener vor. Sehr wertvolle Hinweise für die Nachhaltigkeit und die Folgenschwere eines Trendbruchs liefert häufig die Signifikanz eines Trends. Ein Trend ist um so signifikanter, je mehr Berührungspunkte er aufweist. Wird ein Trend mit fünf oder sechs Berührungspunkten gebrochen, dann hat das eine größere Bedeutung, als wenn ein Trend mit nur zwei Berührungspunkten gebrochen wird. Die Gründe sind psychologisch nachvollziehbar: Je signifikanter ein Trend ausfällt, desto mehr Marktteilnehmer nehmen den Trendbruch wahr, desto mehr erkennen gleichzeitig die Gefahren und reagieren entsprechend - und eine erste scharfe Abgabewelle entsteht.
Quelle: Technical Investor Nr. 1, Juni 2000, S. 20