Die FTD gibt unten die (vor allem von Fondsmanagern) verbreitete Konsensmeinung wieder, dass die Kursschwäche bei (Staats-)Anleihen diesseits und jenseits des Atlantiks - verbunden mit schwächelndem Bund-Future - ein positives Signal für die Wirtschaft sei: Wegen der sich abzeichnenden wirtschaftlichen Erholungs-Tendenzen (BLS-Fake?) würden "Investoren" die vormals als sicheren Hafen geltenden Staatsanleihen nun verkaufen (ist das eine Verlustrealisierung der Panikkäufe von Dezember?) und in unsicherere, aber potenziell renditeträchtigere Anlagen wie Aktien umschichten.
Dies entspräche dem 2003-"Drehbuch". Dieses Szenario setzt jedoch zwingend voraus, dass US-Konsumenten wieder verstärkt zu konsumieren beginnen. 2003 konnten sie das, weil die Fed mit Tiefzinsen um 1 % die nächste Verschuldungsrunde anschob, insbesondere bei Hypotheken-Beleihungen. Dieses HELOC-Geld sorgte für eine künstliche (nicht auf organischem Wachstum beruhende) Nachfrage, die durch billige Importe aus China zusätzlich beflügelt wurde. Der Boom im Investmentbanking (Schrott-Verbriefungen) setzte noch eins drauf.
Heute jedoch stecken in den "Immobilien-Geldautomaten" keine neuen Geldscheine mehr. Das Investment-Banking bzw. der Verbriefungsmarkt sind ebenfalls fast tot. Die Hauspreise sind vom stark überhöhten Preis-Level von 2005 - auf das sie mit den Billigkrediten aus der 2002-2004 Tiefzinsphase gehievt wurden - um ein Drittel zurückgekommen. Das Abwärtsmomentum bleibt wegen der ungebrochen hohen Zwangsvollstreckungen weiter bestehen. Vermutlich werden die Hauspreise um weitere 20 % (von oben gerechnet) bzw. 33 % (von unten gerechnet) fallen, ehe sich ein Boden bildet.
Organisch wächst die US-Wirtschaft bekanntlich nicht, sondern schrumpfte sogar im ersten Quartal um 5,7 %. Da die Konsumenten verstärkt (angst-)sparen und aus Sorge um Arbeitplatzverlust unnötige Ausgaben meiden, ist von ihrer Seite mit keiner Belebung zu rechnen. Die Ewwartung einer "Wende" im 3. oder 4. Quartal, die sich bislang einzig aus sinkenden Fallraten speist, droht daher enttäuscht zu werden.
Wenn Bernanke, der vor zwei Jahren sagte, die Subprime-Krise werde auf Subprime beschränkt bleiben und höchsten 50 Millionen Dollar Schaden anrichten, die obige Wende "vorhersagt", muss man seine in der Vergangenheit erwiesen schlechte Trefferquote in Betracht ziehen. Die Erholungserwartung in der zweiten Jahreshälfte, begleitet von manipulativem Zahlenreigen der US-Statistiker, dürfte sich letztlich als Wunschdenken entpuppen.
Betrachtet man unter diesem Aspekt die steigenden Zinsen am Anleihemarkt, mehren sich die Bedenken. Ein Abverkauf der Staatsanleihen wegen "guter" Inflation, die aus steigender Konsumnachfrage resultieren würde (FTD-Artikel unten), setzt zwingend voraus, dass dieser Konsum auch stattfindet. Bislang wird er lediglich erwartet bzw. "vorweggenommen". Die Fakten sprechen gegen diese Konsumbelebung.
Die bärische Sicht der Longbond-Zinsrallye ist das kommende Überangebot an Staatsanleihen - bedingt durch die weltweite Überstrapazierung der Anleihemärkte für die globalen Bailouts und Konjunkturpakete. Unter dieser Prämisse wäre das Hauptmotiv beim Abverkauf der Staatsanleihen wachsende Risikoscheu bzgl. der Staatsanleihen selbst (d.h. Sorge vor weiteren Kursverlusten). Deren Kurse könnten markttechnisch auch deshalb weiter fallen, weil ein starkes Abwärtsmomentum (bei steigendem Verkaufsvolumen) zu beobachten ist. Umgekehrt ist bei der Aktien-Rallye ab März ein stetiges Nachlassen des Kaufvolumens zu beobachten. Das spricht gegen die These, dass "von Anleihen in Aktien" umgeschichtet wird. Die Aktienrallye geht offenbar vor allem auf Future-Stützungskäufe von "interessierten Kreisen" zurück (Bob Marcin vermutet dahinter sogar die Fed, # 44289). Bei einer solchen forcierten Rallye fehlt das Volumen - und es gibt keine eindeutig "führenden Sektoren". Die relative Stärke bei Rohstoff- und Öl-Aktien bleibt zweifelhaft, da die Rohstoff-Rallye ebenfalls stark spekulative Züge zeigt, da sie u. a. beim Öl nicht durch wachsende physische Nachfrage unterlegt ist.
Wir hätten im bärischen Szenario daher "schlechte" Inflation, die in Verbindung mit den in USA und Europa horrenden AL-Zahlen eher auf Stagflation hindeutet. Stagflation ist bärisch und würde die Aktienkurse demnächst wieder deutlich runterbringen.
Um abzuschätzen, welche der beiden Interpretationen zutrifft, muss man beobachten, ob die zu erwartenden weiteren Zinsanstiege am langen Ende mit weiterhin steigenden Kursen am Aktienmarkt einhergehen. In Anbetracht der fast 40 % Rallye ab den Tiefs ist nicht zu unterschätzen, dass Staatsanleihen mit nunmehr fast 4 % Zinsrendite eine zunehmende Konkurrenz für den nach wie vor wackeligen Aktienmarkt darstellen. Hinzu kommt, dass die hohen Zinsen am langen Ende die Kredite verteuern, was die grünen Pflänzchen (vor allem im US-Immomarkt) bald wieder eintrocknen lassen dürfte.
Es bleibt spannend, ob die Fed es schafft, mittels QE die Langfristzinsen wieder runterzubringen. Die bisherigen Fakten sprechen dagegen: Seit der Ankündigung von QE Mitte März sind die Langfristzinsen stark gestiegen - die QE-Wirkungen (sofern vorhanden) sind somit verpufft. Was geblieben ist, sind wachsende Inflationsängste infolge von QE. Sollte es nachhaltiges Verkaufsinteresse der bisherigen Staatsanleihen-Halter geben - aus Sorge vor der kommenden Flut neuer Staatsanleihen - , dann dürfte die 300 Mrd. Dollar, die die Fed für QE bereitgestellt hat, nicht ausreichen, um die Verkaufsflut einzudämmen. Allein in USA sollen 2009 ja für 2000 Mrd. Dollar neue Staatsanleihen am Markt untergebracht werden.
Börsenausblick
Vier Prozent US-Rendite in Sicht
von André Kühnlenz (Berlin), Simon Schäfer (Frankfurt) und Astrid Dörner (New York)
Die Monate extrem niedriger Zinsen auf den Anleihemärkten sind vorbei. Nach dem Ausverkauf bei Staatsanleihen auf beiden Seiten des Atlantiks erwarten Experten, dass sich dieser Trend fortsetzt. An den Aktienmärkten wittern die Anleger bessere Gewinne.
"Wachstumshoffnungen, Inflationsängste, ein Überangebot an Staatsanleihen und Rückflüsse aus Safe Haven Anlagen wirken allesamt in Richtung höherer Renditen", zählt Kornelius Purps, Rentenanalyst bei Unicredit, die gängigen Erklärungen für den jüngsten Renditeanstieg auf. Einige Experten erwarten nun sogar, dass zehnjährige US-Staatspapiere schon bald wieder gut 4 % abwerfen - soviel wie noch im vergangenen Sommer.
Mit der steigenden Risikolust geht die Nachfrage nach sicheren Staatsanleihen zurück, womit die Bondkurse fallen und die Anleger gleichzeitig höhere Renditen verlangen. "Jetzt verkaufen viele Anleger ihre Anleihen wieder und gehen zurück in die Aktienmärkte, weil sie dort bessere Gewinne wittern", sagt Jon Najarian, Mitbegründer der Optionsbörse Optionmonster. Analysten erwarten steigende Aktienkurse auch in der nächsten Woche. ..... (stark gekürzt...)
www.ftd.de/boersen_maerkte/aktien/...dite-in-Sicht/523387.html
Zum Artikelanfang ""Wachstumshoffnungen, Inflationsängste..." sollte man anmerken, dass sich diese beiden Größen ausschließen. Inflation ist negativ für Wachstum/Wirtschaft/Aktien, sofern sie nicht "organisch" durch erhöhte Nachfrage bzw. eine "heiß gelaufene Wirtschaft" entsteht - wie man es typischerweise eher am Ende längerer Boomphasen wie Ende der 1990-er Jahre beobachten kann. Ein solches Szenario haben wir zurzeit definitiv nicht. Wir haben nicht einmal das "sanfte Hoffnungs-"Szenario von 2003, weil die Konsumenten diesmal kein Geld mehr haben.
Interessant ist in diesem Zusammenhang die Meinung von PIMCO-Chef Gross (der natürlich für Anleihen "wirbt").
Bonds Smarter?
Robert Marcin
6/5/09 11:57 AM EDT
Sometimes it takes a bond guy to shed light. Bill Gross, shameless promoter of his own book and closet policy maker after debt buyer, spoke elegantly about the economy/markets this morning on CNBC. Consider higher risk premiums, government interference and regulation, lower growth, and higher interest rates, THE bond guy thinks stocks should trade between 10-15 times earnings on a longer term basis. This contrasts to the 15-20 range it experienced during the great leverage bubble. I can't disagree with that thinking myself, although I would hope it's a tad conservative. As much as I am not a fan of Pimco's buy then bully strategy, I have to respect the guy.
Bei vermuteten SP-500-Gewinnen von 60 Dollar ergibt sich bei einem KGV von 10 ein "fairer" SPX-Stand von 600, bei einem KGV von 15 käme man auf 900. Die Mitte liegt bei 750. Sollte die KGV-Spanne die Blasenwerte erreichen (15 bis 20), lägen die korrespondierenden SPX-Stände bei 900 bis 1200.